AFRIKA/SUDAN - „Wie ist es möglich, dass Menschen, die um Schulen und Krankenhäuser bitten, nur Gewalt und Bomben bekommen?“. Interview mit dem sudanesischen Bischof Macram Max Gassis zum Konflikt in Darfur

Montag, 21 Juni 2004

Rom (Fidesdienst) - „Der Frieden muss auf gegenseitigem Vertrauen gründen. Aus diesem Grund sollte die Regierung in Khartum konkrete Schritte unternehmen, um die den ernsthaften Willen zum Frieden unter Beweis stellen“, so Bischof Macram Max Gassis von El Obeid im Südsudan im Gespräch mit dem Fidesdienst. „Es kann nicht angehen, dass Frieden im Südsudan geschlossen wird, während der Krieg in der westsudanesischen Region Darfur weitergeht. Hier fordern die Menschen seit langem mehr Anerkennung. Die Regierung erfüllt diese Forderungen jedoch nicht, sondern schickt vielmehr arabische Milizen und reguläre Soldaten auf Zivilisten los. Dieser Krieg stellt unser Gewissen vor die Frage der Legitimität der Selbstverteidigung, denn es geht um gewaltsame Angriffe auf wehrlose Menschen“, so der Bischof. Am 21. Juni endet der Besuch des Präsidenten der Kommission der Afrikanischen Union, Alpha Oumar Konarè, in der Region. Die Afrikanische Union versucht zwischen der sudanesischen Regierung und den beiden in Darfur agierenden Rebellenbewegungen (Sudanesische Befreiungsbewegung-Armee, SLA-M, und Bewegung für Gerechtigkeit und Gleichberechtigung, JEM).
„Die Einheimischen verlangen Möglichkeiten zur Verbesserung der eigenen Lebensumstände. Darfur gehört mit den Nuba-Bergen und der Blue Nile zu den ärmsten Regionen des Landes. Seit Jahrzehnten wurde hier nichts mehr gebaut. Wie ist es möglich, dass Menschen, die um Schulen und Krankenhäuser bitten, nur Gewalt und Bomben bekommen?“, fragt sich Bischof Gassis. Vermutungen über religiöse Aspekte bei diesem Konflikt lehnt der Bischof kategorisch ab: „Darfur gehört zu meiner Diözese. Es leben in der Region nur wenige Christen, bei denen es sich größtenteils um Einwanderer aus dem Südsudan handelt. Diese Personen kehren unterdessen auf der Flucht vor der Gewalt in ihre Heimatdörfer zurück. Die meisten Einwohner der Region Darfur sind Muslime und die Angreifer sind ebenfalls Muslime. Der Konflikt hat ausschließlich politische Gründe.“
„Ich frage mich auch, was die jüngsten Vereinbarungen über Waffengeschäfte mit Russland bedeuten“, so Bischof Gassis weiter. „Wenn wir den Frieden wollen, weshalb kaufen wir dann Waffen? Das Land braucht Brunnen, Wasserleitungen, Schulen und Krankenhäuser. Stattessen kaufen wir hochtechnische Kampfflugzeuge und hunderte von Panzern“. „Der Krieg in Darfur wirkt sich auch auf den benachbarten Tschad aus. Der Kauf von neuen Waffen ist ein negatives Zeichen, was die Beziehungen zu den Nachbarländern anbelangt“, so Bischof Gassis. Am 18. Juni haben tschadische Soldaten nach eigenen Angaben 69 mit der Regierung in Khartum verbündete sudanesische Milizionäre getötet. Im Tschad leben über 100.000 sudanesische Flüchtlinge und in der Region Darfur gibt es rund eine weitere Million Binnenflüchtlinge.
Trotz des Kriegs im Westen des Landes macht der Friedensprozess im Sudan im Großen und Ganzen Fortschritte. Infolge des derzeitigen Waffenstillstands in den südlichen Landesteilen kehren dort viele Flüchtlinge in ihre Heimatdörfer zurück. „In den Nuba-Bergen konnte ich sehen, wie die Menschen zurückkehren“, so Bischof Gassis. „Lastwagen, die in improvisierte Busse umgewandelt worden waren, kamen zum Brechen voll mit hunderten von Menschen aus Khartum dort an.“.
Der Bischof nennt die positiven Aspekte dieser Rückkehrbewegung, warnt aber auch vor möglichen dramatischen Folgen: „Die Flüchtlinge bringen umfangreiches berufliches Wissen mit, das sie zur Verbesserung der Lage in ihren Dörfern nutzen können. In Khartum haben viele einen Beruf erlernt. Viele sind heute Bauarbeiter, Mechaniker, Techniker. Leider wurden viele Flüchtlinge jedoch in der Hauptstadt auch mit der Armut und der Kehrseite des Lebens in der Stadt konfrontiert: viele haben sich mit Aids infiziert. Dies könnte für die Region dramatische Folgen haben. Auch Nichtregierungsorganisationen, die in der Region tätig sind, könnten zu einer weiteren Verbreitung der Krankheit beitragen, denn sie haben Personal aus den Nachbarländern geholt, wo es unter den Menschen im erwerbsfähigen Alter sehr viele HIV-infiziert sind.“ (LM) (Fidesdienst, 21/6/2004 - 53 Zeilen, 606 Worte)


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