Vatikanstadt (Fidesdienst) – Am ersten Seminar des Katholisch-Muslimischen Forums, das vom 4. bis 6. November 2008 in Rom Tagte, nahmen 24 Delegierte beider Religionen und je 5 Experten teil. Das Thema des Seminars lautete: „Gottesliebe, Nächstenliebe“. Wie in der Schlusserklärung betont wird, fand die Debatte in einem „warmen und herzlichen Geist“ statt und konzentrierte sich insbesondere auf zwei große Themenbereiche: theologische und geistliche Grundlagen; Menschenwürde und gegenseitiger Respekt. Es folgen die 15 Punkte der Schlusserklärung in eigener Übersetzung:
1. Für die Christen ist die Quelle und das Vorbild der Gottesliebe und der Nächstenliebe die Liebe Christi zu seinem Vater, zu den Menschen und zu jeder einzelnen Person. „Gott ist Liebe“ (1 Joh 4,16) und „Denn Gott hat die Welt so sehr geliebt, dass er seinen einzigen Sohn hingab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht zugrunde geht, sondern das ewige Leben hat“ (Joh 3,16). Die Liebe Gottes gelangt durch den Heiligen Geist in das Herz des Menschen. Es ist Gott, der uns zuerst liebt, so dass wir in der Lage sind, ihn unsererseits zu lieben. Die Liebe schadet unserem Mitmenschen nicht, sondern, sondern sie strebt danach, dem andern das zu tun, was wir uns für uns selbst wünschen (vgl. 1 Kor 13, 4-7). Die Liebe ist die Grundlage und die Summe aller Gebote (vgl. Gal 5,14). Die Nächstenliebe darf nicht von der Gottesliebe Getrennt werden, denn sie ist Ausdruck unserer Liebe zu Gott. Dies ist das neue Gebot: „Liebt einander, so wie ich euch geliebt habe (Joh 15,12). In der sich opfernden Liebe Christi verwurzelt, vergibt die christliche Liebe und sie schließt niemanden aus; deshalb schließt sie auch die eigenen Feinde mit ein. Es sollten nicht nur Worte sein, sondern auch Taten (vgl. 1 Joh 4,18). Dies ist das Zeichen ihrer Echtheit.
Für die Muslime ist die Liebe, wie es in dem Brief „A Common Word“ erläutert wird, eine zeitlose transzendente Kraft, die den gegenseitigen menschlichen Respekt leitet und verwandelt. Diese Liebe geht, wie der heilige und geliebte Prophet Mohammed uns lehrt, der menschlichen Liebe zum einen und wahren Gott. Ein „Hadit“ lehrt uns, dass die Liebe Gottes zu den Menschen noch größer ist, als die Liebe einer Mutter zu ihrem Kind (Muslim Bab al-Tawba:21). Deshalb existiert sie noch vor der Liebe der Menschen zum Einen, der „Der Liebende“ ist, und unabhängig von ihr. So groß ist diese Liebe und dieses Mitgefühlt, dass Gott eingegriffen hat um die Menschen oft und an vielen Orten auf vollkommene Weise zu leiten und zu retten, indem er uns Propheten und Schriften gesandt hat. Das letzte dieser Bücher, der Koran, porträtiert eine Welt der Zeichen, einen wunderbaren Kosmos der Göttlichen Kunst, der unsere absolute Liebe und unsere Verehrung weckt, damit „diejenigen, die Glauben, für Allah eine größere Liebe empfinden“ (2: 165) und „in Wahrheit der Liebende, allen seine Liebe schenken wird, die glauben und Gutes tun“ (19:96). In einem Hadit lesen wir, dass „Niemand unter euch glaubt so lange er nicht seinen Nächsten liebt wie sich selbst“ (Bukhari, Bab al-Imam: 13).
2. Das kostbarste Gut, das Gott jedem Menschen schenkt. Es muss deshalb in allen seinen Phasen bewahrt und geehrt werden.
3. Die Menschenwürde ergibt sich aus der Tatsache, dass jeder Mensch von einem liebenden Gott aus Liebe erschaffen wurde, und er die Vernunft und den freien Willen erhalten hat, womit er auch fähig ist, Gott und die Mitmenschen zu lieben. Auf der soliden Grundlage dieser Prinzipien erfordert der Mensch die Achtung seiner ursprünglichen Würde und seiner menschlichen Berufung. Somit hat er auch ein Recht auf die Anerkennung der eigenen Identität und der eigenen Freiheit als Individuum, Gemeinschaft und Regierung, mit der Unterstützung ziviler Gesetze, die Gleichberechtigung und Staatsbürgerschaft garantieren.
4. Wir bekräftigen, dass die Schöpfung der Menschheit durch Gott zwei große Aspekte besitzt: den Mann und die Frau und wir verpflichten uns gemeinsam dazu die Würde und den Respekt sowohl für Männer auch für Frauen gleichberechtigt gelten zu lassen.
5. Echte Nächstenliebe setzt den Respekt der Person und ihrer Entscheidungen in Gewissens- und Religionsfragen voraus. Sie umfasst auch das Recht der Individuen und Gemeinschaften die eigene Religion privat und öffentlich zu praktizieren.
6. Religiöse Minderheiten haben das Recht in ihren eigenen Überzeugungen und religiösen Praktiken respektiert zu werden. Sie haben auch einen Anspruch auf eigene Kultstätten und ein Recht auf die Figuren und Symbole, die sie als heilige betrachten und die keiner Weise verhöhnt oder verspottet werden dürfen.
7. Als katholische und muslimische Gläubige sind wir uns der Berufung und der Pflicht bewusst, von der transzendenten Dimension des Lebens durch eine Spiritualität Zeugnis abzulegen, die sich aus dem Gebet speist, in einer Welt, die zunehmen säkularisiert und materialistisch wird.
8. Wir bekräftigen, dass keine Religion oder ihre Anhänger aus der Gesellschaft ausgeschlossen werden dürfen. Jeder sollte seinen eigenen unverzichtbaren Beitrag zum Wohl der Gesellschaft leisten dürfen, insbesondere im Dienst an den Bedürftigen.
9. Wir erkennen an, dass die Schöpfung Gottes mit der Vielfalt der Kulturen, Zivilisationen, Sprachen und Völker eine Quelle des Reichtums ist und deshalb nie Grund für Spannungen und Konflikte sein sollte.
10. Wir sind überzeugt davon, dass Katholiken und Muslime die Pflicht haben den eigenen Gläubigen eine gesunde Erziehung zu den moralischen, religiösen, zivilen und menschlichen Werten anzubieten und dass eine akurate Information über die Religion des anderen gefördert werden sollte.
11. Wir bekennen, dass Katholiken und Muslime berufen sind, sich zu Instrumenten der Liebe und der Harmonie zwischen den Gläubigen und unter der ganzen Menschheit zu machen, indem sie auf jede Form der Unterdrückung, der aggressiven Gewalt und auf terroristische Akte verzichten, insbesondere diejenigen, die im Namen der Religion stattfinden, und dass sie das Prinzip der Gerechtigkeit für alle verfolgen sollten.
12. Wir fordern die Gläubigen dazu auf, sich für ein ethisches Finanzsystem einzusetzen, dessen Regulierungsmechanismen auch die Situation der Armen und Benachteiligten berücksichtigen, sowohl was Einzelpersonen als auch verschuldete Staaten anbelangt. Wir fordern die Privilegierten dieser Welt auf, die Not derer in Betracht zu ziehen, die am meisten von der gegenwärtigen Krise bei der Produktion und Verteilung von Lebensmitteln betroffen sind und wir bitten die Gläubigen aller Konfessionen und alle Menschen guten Willens, bei der Linderung der Not von Hungerleidenden und bei der Beseitigung der Gründe der Hungersnot zusammenzuarbeiten.
13. Die Jugendlichen sind die Zukunft der Religionsgemeinschaften und der Gesellschaft im Allgemeinen. Wir werden zunehmend in multikulturellen und multireligiösen Gesellschaften leben. Es ist von wesentlicher Bedeutung, dass sie gut ausgebildet sind, was die eigenen religiösen Traditionen anbelangt und gut informiert über andere Kulturen und Religionen.
14. Wir haben uns darauf geeinigt, dass wir die Möglichkeit eines Ständigen Katholisch-Muslimischen Ausschusses in Betracht ziehen, das Antworten auf Konflikte und andere Notsituationen koordiniert, und dass wir ein zweites Seminar in einem Land mit muslimischer Mehrheit, das noch zu bestimmen ist, veranstalten werden.
15. Wir freuen uns demnach auf das zweite Seminar des Katholisch-Muslimischen Forums, das innerhalb von zwei Jahren in einem noch zu bestimmenden Land mit muslimischer Mehrheit stattfinden wird.
Alle Teilnehmer danken Gott für die gemeinsam verbrachte Zeit und den fruchtbaren Austausch. Am Ende des Seminars hat Papst Benedikt XVI. nach den Ansprachen von Professor Seyyed Hossein Nasr und dem Großmufti Dr. Mustafa Ceric zu den Teilnehmern gesprochen. Alle Anwesenden haben ihrer Zufriedenheit über die Ergebnisse des Seminars und die eigenen Erwartungen im Hinblick auf einen künftigen konstruktiven Dialog zum Ausdruck gebracht. (Fidesdienst, 07/11/2008)