AMERIKA/KOLUMBIEN - Guerillabewegungen und Paramilitärs verursachen durch den Einsatz von Kindersoldaten irreparable Schäden in der kolumbianischen Gesellschaft. Nach Angaben von Human Rights Watch gibt es in Kolumbien 11.000 Kindersoldaten

Samstag, 27 März 2004

Bogotà (Fidesdienst) - Obschon internationale Gesetze den Einsatz von Minderjährigen im Alter unter 18 Jahren verbieten (Die Genfer Konvention von 1949 und die Konvention über die Rechte des Kindes 1989 verbieten den Einsatz von Kinder unter 15 Jahren in Kriegen, das Protokoll zur Konvention, das von den Vereinten Nationen am 25. Mai 2000 einstimmig angenommen wurde hebt die Altersgrenze auf 18 Jahre an) und die Konvention über die Rechte der Kinder den Einsatz von Kindern unter 15 Jahren untersagt, werden von allen an dem langjährigen Konflikt in Kolumbien beteiligten Parteien Kinder im Alter unter 18 oder auch unter 15 Jahren rekrutiert. Dies geht aus einem Bericht der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch mit dem Titel: „Do sollst lernen nicht zu weinen: Kinder, die in Kolumbien kämpfen“ hervor. Ein Viertel aller der im kolumbischen Bürgerkrieg kämpfenden Truppen besteht aus Minderjährigen. Darunter auch tausende, die nicht einmal 15 Jahre alt sind. Obschon keine genauen Daten zur Zahl der Kindersoldaten in Kolumbien vorliegen, schätzt Human Rights Watch ihre Zahal auf über 11.000.
Der Bericht, für den Gespräche mit 112 ehemaligen Kindersoldaten und -soldatinnen geführt wurden, zeigt wie Guerillatruppen und Paramilitärs vor allem die Verzweiflung armer Kinder in den ländlichen Gebieten zum eigenen Vorteil nutzen. In der Tat „führen die Guerillaorganisationen Rekrutierungskampagnen durch, in denen das Leben des Guerillakämpfers in höchsten Tönen gelobt wird und die Kinder auch mit versprochenen Geldsummen angelockt werden“. „Es gibt auch viele Familien, die ihre Kinder in den Kampf schicken, weil sie selbst nicht für sie aufkommen können und wissen, dass die Zugehörigkeit zu einer Guerillaorganisation auch Versorgung mit Kleidung und Lebensmitteln bedeutet. Viele Kinder fliehen vor der Gewalt in den Familien und vor körperlichem und sexuellem Missbrauch auf der Suche nach der Aufmerksamkeit, die sie in den Familien nicht bekommen“, heißt es in dem Bericht.
Die Kinder kämpfen den Krieg der Erwachsenen, dessen Ziele sie nicht verstehen. Sie werden bereits im Alter von 11 Jahren zum Schießen mit Gewehren ausgebildet und marschieren tagelang ohne viel Verpflegung, wobei sie oft auch Insektenstichen und Unwetter ausgesetzt sind. Die Erwachsenen erteilen dem Befehl zum Schießen, Verstümmeln oder Foltern und bereiten sie auf die Ausübung von grausamen Taten vor. Im alter von 13 Jahren können die Kinder mit Maschinengewehren, Granaten und Mörsern und Sprengstoffsätzen umgehen. Zur Ausbildung der Kinder gehört es auch, dass sie zusehen müssen, wie Häftlinge gefoltert werden. Einige Kinder wurden auch gezwungen auf ihre Freunde zu schießen, um ihre Eignung unter Beweis zu stellen.
Ein Viertel oder die Hälfte der Kindersoldaten sind Mädchen, einige davon erst 8 Jahre alt. Die Mädchen fliehen oft vor sexuellem Missbrauch in den Familien. Doch auch die männlichen Kommandanten der Guerillaeinheiten bedienen sich oft ihrer Machtposition um sexuelle Beziehungen zu den Minderjährigen anzuknüpfen, obschon sexuelle Gewalt bei den Guerillaorganisationen im Allgemeinen nicht toleriert wird. Die Mädchen werden bereits mit 12 Jahren zur Einnahme von Verhütungsmitteln oder zur Abtreibung gezwungen.
Das Leben der Kindsoldaten ähnelt dem Leben der erwachsenen Soldaten. Sie werden kontrolliert und ihre alltäglichen Verrichtungen werden bis in Detail geplant. Am härtesten sind nach Angabe ehemaliger Kindersoldaten die unendlichen Fußmärsche, wenn die Camps an einen anderen Ort verlegt werden. Dann müssen die Kinder tagelang zu Fuß gehen und bekommen dabei nur wenig oder manchmal auch gar nichts zu essen. Während dieser Fußmärsche ist die Disziplin besonders streng, denn es soll vermieden werden, dass man entdeckt wird. Die Kinder müssen stundenlang Wache halten und dabei gegen den Schlaf ankämpfen, denn sie wissen, dass sie erschossen werden, wenn man sie schlafend auffindet. Die Kinder, die ihre militärischen Pflichten nicht erfüllen oder die Flucht versuchen, laufen Gefahr, hingerichtet zu werden. In manchen Fällen sind bei den Hinrichtungen sowohl Opfer als auch Täter Kinder.
Auch Schwester Francisca Galache, eine in Kolumbien tätige Comboni Missionarin, betonte in einem von den Päpstlichen Missionswerken in Spanien herausgegebenen Zeitschrift „Misoneros“ veröffentlichten Artikel, dass Krieg und Gewalt die Kinder traumatisieren und ihr Leben kennzeichnen. Die Missionsschwester berichtet von einem Fall, der zeigt, wie sehr die Kinder von einer solchen Erfahrung traumatisiert werden: „Pescador und Mazorc, zwei Kinder aus dem Verwaltungsdistrikt Choco, mit denen ich viele schöne Momente erlebt habe, horchten stets besonders auf, wenn sie das Geräusch eines Hubschraubers hörten. Beim kleinsten Geräusch füllte sich ihr Blick mit Angst und jedes Mal sagten sie: ‚Sie kommen, … wir müssen uns verstecken!“. (RZ) (Fidesdienst, 27/4/2004 - 58 Zeilen, 692 Worte)
Der Wortlaut des Berichts von Human Rights Watch in Spanisch ist zugänglich unter www.hrw.org.


Teilen: