Vatikanstadt (Fidesdienst) - Zu den Episoden, über die wir an den Tagen der Passion Christi meditieren werden, gehört die Episode des Schlafs der drei Apostel Petrus, Jakobus und Johannes im Olivengarten, während Jesus tiefste Todesangst befiel. Der Herr hatte sie gebeten, mit ihm zu wachen und ihm Gesellschaft zu leisten, doch es war umsonst. Sie fielen in tiefen Schlaf, wie es geschieht, wenn der Instinkt des „Fleisches“ die Oberhand über die Wünsche des „Geistes“ gewinnt. Doch Jesus wirft es ihnen nicht vor, als er sie weckt; er macht nur gegenüber Petrus eine Feststellung, was dessen Schlaf anbelangt: „Simon, du schläfst? Konntest du nicht einmal eine Stunde wach bleiben? Wachet und betet, damit ihr nicht in Versuchung geratet. Der Geist ist willig, aber das Fleisch ist schwach“ (Mk 14 37b-38)
„Wachet“! Es reicht nicht, dass man betet, man muss auch auf sich selbst achten: auf die eigenen Gedanken, Gefühle, Launen, Instinkte, Wünsche, denn die Menschen sind nicht immer bereit, von der geistlichen Ebene auf die materielle Ebene „herunterzukommen“ und lassen den Jünger Christi auf „niedrigen“ Einstellungen „ausrutschen“, die oft mit dem „Geist“ recht wenig, oder besser, gar nichts zu tun haben. Man darf sich nicht allzu sehr auf das eigene Herz aus Fleisch verlassen, denn es ist, wie es in der Heiligen Schrift heißt „unverbesserlich“ (Jer 17,9). Man muss das schwierige Gleichgewicht zwischen Geist und Fleisch, Seele und Körper, den Erfordernissen des einen und des anderen stets zu halten versuchen und dabei dem Geist stets den Vorzug geben, den wie Jesus sagt, „das Fleisch ist schwach“ und wenn es dem Geist nicht untergeordnet wird, dann zieht es uns auf den Boden hinunter. Der jünger muss auf seinem Weg den Blick auf den Herrn richten, damit er nicht zu weit nach unten gelangt und vom sich vom eigenen Instinkt gefangen nehmen lässt so wie diejenigen die den Kopf nicht heben wollen und das Blau des Himmels nicht staunend sehen und den Duft des Osterfestes zu riechen. Der Christ muss stets aus sich selbst flüchten, damit er seinem Erlöser ähnlich wird, indem er ihm nachfolgt.
In einem seiner bewundernswerten Kommentare zum Leiden Christi schreibt Papst Leo der Große: „Das Volk der Christen ist eingeladen am Reichtum des Paradieses teilzuhaben. Allen Getauften steht der Übergang zur Rückkehr in die verlorene Heimat offen, wenn man sich nicht selbst diesen Weg verschließt, der sogar dem Dieb geebnet wurde. Sorgen wir dafür, dass unser Tun im gegenwärtigen Leben uns nicht zu viel Sorge oder zuviel Hochmut verschaffen bis zu dem Punkt, an dem wir unserer Pflicht, unserem Erlöser ähnlich zu werden und seinem Beispiel zu folgen vergessen. Ten er tut und erlitt nichts, was nicht für unsere Heil gewesen wäre, damit die Tugend des Hauptes vom ganzen Leib besessen werden sollte…“
Apostel wie wir, die nicht wachsam sind, lassen sich vom Instinkt des „Überlebens“ überwältigen, angesichts dessen, was unter menschlichen Gesichtspunkten eine Tragödie war: das Leiden Christi! Doch die Tragödie war im Grunde gesehen nur relativ, denn sie war nur das Vorspiel zu einem absoluten Triumph, den Jesus ebenfalls vorher ankündigte: der Sieg seiner Auferstehung. „Der Menschensohn wird den Menschen ausgeliefert und sie werden ihn töten, doch drei Tage nach seinem Tod wird er auferstehen.“ (Mk 9,31).
Der Grund für die Glaubenskrise in der christlichen Welt ist derselbe wie seit jeher: der Mangel an der Besinnung auf das Innere, d.h. eines geistlichen Lebens, in dem das Materielle des menschlichen Lebens dem Geist untergeordnet wird. Wie oft hatte der Herr seine Jünger darauf hingewiesen: „Mein Königtum ist nicht von dieser Welt“ (Joh 15,19), ihr stammt nicht von der Welt. Das Reich Gottes schöpft seine Kraft nicht aus dem Irdischen, denn es ist ganz geistlich. Wie oft hat der Herr auf den Vorrang der Seele über den Körper, des Geistes über die Welt hingewiesen: „Was nützt es einem Menschen, wenn er die ganze Welt gewinnt, dabei aber sein Leben einbüßt?“.
Wach sein bedeutet deshalb, dass wir der Beziehung der Seele zu Gott den absoluten Vorrang geben, denn „Gott ist Geist“ (Joh 4,24) und nicht Fleisch! „Gott ist uns gleich geworden, damit wir ihm gleich werden“, wenn wir dies wollen, wenn wir seinem Gebot folgen: „Dies habe ich euch gesagt, damit meine Freude in euch ist und damit eure Freude vollkommen wird“ (Joh 15,11). Jesus meint damit eine geistliche Freude, die in die Seele eindringt und sie mit Freude erfüllt, eine Freude, die die Sinne des Fleisches unter der Last der Sünde weder verstehen noch erfahren können. Deshalb müssen wir ihnen absagen und sie dem Geist unterordnen.
Papst Benedikt warnte vor kurzem vor der Gefahr der Säkularisierung auch im Inneren der Kirche: „Diese Säkularisierung ist nicht nur eine von außen kommende Gefahr für die Glaubenden, sondern sie zeigt sich seit einiger Zeit bereits auch im Inneren der Kirche selbst. Sie entstellt vom Inneren heraus und bis in die Tiefe den christlichen Glauben und demzufolge den Lebensstil und das alltägliche Verhalten der Glaubenden“. Sie leben in einer Welt, die von der „Kultur des Images“ geprägt, wenn nicht sogar dadurch bedingt ist, was ein praktische Verleugnen Gottes mit sich bringt: „Gott wird nicht gebraucht, wir brauchen nicht an ihn zu denken oder uns auf ihn zu beziehen. Außerdem begünstigt die vorherrschende hedonistische und konsumistische Mentalität unter Gläubigen und Hirten eine Tendenz zur Oberflächlichkeit und zu einer Egozentrik, die dem kirchlichen Leben schaden.“ (Papst Benedikt XVI., Audienz für die Teilnehmer der Vollversammlung des Päpstlichen Rates für die Kultur, 8. März 2008).
Man schläft anstatt Jesus Gesellschaft zu leisten, wenn man sich von der Welt beeinflussen lässt, wenn das Glück zu Lasten des Geistes auf die Welt beschränkt wird, wie es der heilige Paulus sagt: „Das Trachten des Fleisches führt zum Tod, das Trachten des Geistes aber zu Leben und Frieden…. Wer vom Fleisch bestimmt ist, kann Gott nicht gefallen. Ihr aber seid nicht vom Fleisch, sondern vom Geist bestimmt, da ja der Geist Gottes in euch wohnt“. (Röm 8, 5 ff). Das Leiden unseres Herrn wäre umsonst gewesen, wenn wir uns nicht dazu entschließen würden „im Geist“ zu leben. Möge die Mutter Gottes am bevorstehenden Osterfest die Freude erfahren, viele Jünger zum Herrn zu begleiten, die sich zum ihm bekehrt haben! (Fidesdienst, 12/03/2008 - 70 Zeilen, 1.071 Worte)