ASIEN/BANGLADESCH - Apostolischer Nuntius über die Situation der Christen und Hilfen für Rohingya-Flüchtlinge

Donnerstag, 26 September 2024

Von Fabio Beretta

Dhaka (Fides) - „Die Situation in Bangladesch“, wo die Christen nur 0,30 % der Bevölkerung ausmachen, „ist sehr heikel. Im Allgemeinen leben die Christen in einem friedlichen Kontext, aber es hat auch schon Fälle gegeben, in denen sie von ihren Nachbarn schikaniert wurden“, so Erzbischof Kevin Randall, der seit 2023 Apostolischer Nuntius in Bangladesch ist, und von Fides seinem dem jüngsten Treffen mit dem Chef der Übergangsregierung befragt wurde. Mit Fides sprach er über die Gesellschaft des Landes und das Engagement und die Unterstützung der lokalen Kirche und von Papst Franziskus für Rohingya-Flüchtlinge.

Wie ist die Lage in Bangladesch nach den jüngsten Protesten und sozialen Unruhen?

Die Lage in Bangladesch ist sehr heikel. Mit einer Übergangsregierung fragen sich einige, wann es Wahlen geben wird. Andere wollen die Verfassung neu schreiben. Wieder andere sagen, dass eine Übergangsregierung nicht die Befugnis hat, die Verfassung umzuschreiben. In der Zwischenzeit beherrscht die Gewalt der Bürger das Land und die Rechtsstaatlichkeit ist eingeschränkt.

Wie erleben die christlichen Gemeinschaften diesen historischen Moment?

Im Allgemeinen leben die Christen in einem relativ friedlichen Kontext, aber es gab auch schon Fälle, in denen sie von ihren Nachbarn schikaniert wurden. Die Polizei ist machtlos. Nachdem Sheik Hasina das Land verlassen hatte, bekamen viele Beamte Angst und tauchten unter. Sie legten ihre Uniformen ab, um Zivilkleidung zu tragen, und gingen nicht mehr zur Arbeit.

Haben christliche Gemeinschaften im Vergleich zum Rest der Bevölkerung besondere Erwartungen?

Ja, die christliche Gemeinschaft hofft, dass die Übergangsregierung die Minderheiten in dieser Übergangszeit schützen wird. Die Dörfer der Christen sind bedroht, weil es Leute gibt, die sie sich ihr Land aneignen wollen, auch wenn sie der eigenen ethnischen Gruppe angehören. Viele Bürger, ob Christen, Buddhisten oder Hindus, werden als unerwünschte Personen behandelt, „als ob sie Fremde wären“, obwohl sie es nicht sind. Die Verfassung erklärt Bangladesch zu einem säkularen Staat mit einer offiziellen Religion: dem Islam. Es gibt jedoch einige, die den Ausdruck „offizielle Staatsreligion“ mit der Vorstellung verwechseln, dass „Minderheiten hier nicht hingehören“ und dass das Land „ein islamischer Staat“ sei.

Während des Treffens mit Muhammad Yunus, dem Chef der Übergangsregierung, wurde die Notwendigkeit des „Schutzes“ von Minderheiten angesprochen. Woher kommt diese Sorge?

Nach der Volkszählung von 2022 machen die Christen in Bangladesch 0,30 % (etwa 500 000 Gläubige) der Bevölkerung aus. Es gab Fälle von Drohungen gegen Dörfer, Häuser und insbesondere Schulen. In vielen katholischen Schulen gab es Einschüchterungsversuche, bei denen mehreren Lehrern der Rauswurf drohte. Einige Muslime berichteten der Schulverwaltung, dass ihre Kinder sich künftig auf eine bestimmte Art und Weise kleiden würden, insbesondere wenn es sich um Mädchen handelte. Das Tragen der Burka verstößt jedoch gegen unsere Uniformvorschriften. Mit Muhammad Yunus habe ich Fragen angesprochen, die Christen, aber auch Buddhisten und Hindus betreffen. Man darf nicht vergessen, dass die hinduistische Minderheit etwa 8 % ausmacht. Viele ihrer Tempel wurden zerstört und ihre Geschäfte niedergebrannt. Und der Chef der Übergangsregierung stimmte zu, dass alle Minderheiten geschützt werden müssen, und versprach, dass er versuchen werde, ein Gesetz zu schaffen, das für Ordnung sorgen kann.

Kürzlich wurde die Einrichtung eines Gremiums für den interreligiösen Dialog zwischen dem Heiligen Stuhl und den Gelehrten des Islam in Bangladesch vorgeschlagen. Wie wurde diese Idee aufgenommen?

Die Idee, einen interreligiösen Dialog zu führen, stammt nicht von mir. Das Dikasterium für den interreligiösen Dialog hat schon vor Jahren in einem Schreiben darum gebeten, als Kardinal Jean-Louis Tauran der Leiter des damaligen Päpstlichen Rates für den interreligiösen Dialog war. Tauran selbst sprach während einer seiner Besuche hier in Bangladesch mit der ehemaligen Premierministerin Sheik Hasina darüber. Ich habe diese Idee schon bei Sheik Hasina wieder aufgegriffen, und vor kurzem habe ich nun auch Muhammed Yunus und sein Team gebeten, konkret über diese Möglichkeit nachzudenken. Das Konzept wurde gut aufgenommen, aber ich glaube, sie haben zurzeit andere Sorgen.

Gibt es bereits konkrete Schritte in Richtung dieses Projekts?

Nein, aber wir können sie vorgeschlagen. Aber wir können sie nicht erzwingen. Anders als in den Vereinigten Arabischen Emiraten, wo Papst Franziskus das Dokument über Brüderlichkeit unterzeichnete, oder in Indonesien, wo er Papst vor kurzem ein neues Dokument über Toleranz unterzeichnete und den er den „Tunnel der Freundschaft“ lobte, der die Kathedrale mit der Moschee in Jakarta verbindet, findet der interreligiöse Dialog in Bangladesch nicht viel Unterstützung, auch wenn er auf der Ebene der akademischen Diskussionen stattfindet.

In Bezug auf die humanitäre Hilfe für die Rohingya-Flüchtlinge hat Mohammed Yden angeblich Vatikan um Unterstützung gebeten. Wie kann dieser Bitte nachgekommen werden?

Der Chef der Übergangsregierung hat nicht direkt um die Hilfe des Heiligen Stuhls gebeten, wie in verschiedenen Medien berichtet wurde. Er bat um die Unterstützung des Heiligen Stuhls bei den Reformen, die er und seine Regierung durchführen wollen, aber nicht um finanzielle Hilfe, auch nicht für die Rohingya.
Ich war es, der im Namen des Papstes darum bat, den Rohingya weiterhin zu helfen und sie zu schützen. Ich erklärte, dass die Caritas-Organisation der katholischen Kirche den Vertriebenen seit 2017 kontinuierlich hilft, dass aber die Mittel schwinden. Bevor ich nach Bangladesch reiste, bat mich Papst Franziskus, die Rohingya nicht zu vergessen. Diese Flüchtlinge haben in ihrem eigenen Land Gewalt erlebt und kamen nach Bangladesch, um um Hilfe zu bitten. Doch leider werden die Rohingya von der lokalen Bevölkerung als ethnische und religiöse Gruppe angesehen, die zu „diesem Land“, Bangladesch, gehört.
Kardinal Patrick D'Rozario und ich haben ihnen einen offiziellen Besuch abgestattet. Die Lebensbedingungen sind sehr schwierig. Kinder und Jugendliche erhalten keine Schulbildung. Außerdem müssen laut Gesetz 25 Prozent unserer Hilfe an die bengalische Gemeinschaft gehen. Ich freue mich jedoch, ankündigen zu können, dass der Papst weitere finanzielle Hilfe schickt. Diese Geste von ihm wird vielen helfen.
(Fides 26/9/2024)


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