EUROPA/UKRAINE - Verhandlungen mit Russland: Ehemaliger Missionar in Kasachstan sieht Möglichkeiten des Dialogs

Montag, 28 März 2022 kriege   diplomatie  

Mailand (Service) - "Wir sind an einem Punkt angelangt, an dem der Respekt vor den Tausenden von Toten und der Schmerz so vieler Familien, sowohl ukrainischer als auch russischer, unbedingt eine Friedenslösung erfordert. In den Verhandlungen kommt es darauf an, allen Seiten die Möglichkeit zu geben, der eigenen Bevölkerung zumindest den "Eindruck zu vermitteln, gewonnen zu haben". Es sei jetzt aber dringend notwendig, sich um einen Ausweg zu kümmern. Dieser Überzeugung will Pater Edoardo Canetta, ehemaliger Apostolischer Vikar für Zentralasien und ehemaliger Professor am Institut für Diplomatie der Republik Kasachstan, im Gespräch mit Fides Ausdruck verleihen. Pater Canetta war zwanzig Jahre lang Missionar in Kasachstan (davon fünf Jahre als Generalvikar für Zentralasien), wo er an der Universität von Karaganda und anschließend an der Eurasischen Universität Gumylyov in Astana lehrte. Heute ist er Pfarrer in Mailand und Dozent an der Accademia Ambrosiana in Mailand. Als profunder Kenner der russischen Sprache, Kultur und Mentalität zeigt er im Gespräch mit Fides einen möglichen Weg für Friedensgespräche zwischen Russland und der Ukraine auf: "Eine plausible Verhandlung zwischen Russland und der könnte sich zunächst auf den am 15. Mai 1992 unterzeichneten und 2002 in Astana bekräftigten Vertrag "Dogovor o collektivoi bezopasnosti" ("Vertrag über kollektive Sicherheit") beziehen, den die Russische Föderation mit einigen Ländern der ehemaligen Sowjetunion in Zentralasien geschlossen hat“.
„Dieser Vertrag begründet ein Militärbündnis, dessen Mitglieder sich verpflichten, auf die Androhung oder Anwendung von Gewalt bei der Beilegung von Streitigkeiten zwischen ihnen zu verzichten“, so der katholische Giestliche weiter, „Außerdem ist eine Solidaritätsklausel für den Fall eines Angriffs von außen enthalten. Seit 2002 verfügt die Organisation in Umsetzung des Vertrages über gemeinsame militärische Infrastrukturen und führt Schulungen durch. Die Länder der Organisation (OVKS) waren an der Beilegung der Unruhen in Kasachstan beteiligt, die laut Präsident Tokay von ‚ausländischen Agenten‘ geschürt wurden“.
„Eine aktuelle Grundlage für Verhandlungen zwischen Russland und der Ukraine könnte ein Vertrag sein, den die Ukraine nach dem Vorbild des Dogovor-Abkommens von 2002 unter Verzicht auf eine NATO-Mitgliedschaft mit anderen Ländern unterzeichnen könnte. Dieser Vertrag wurde von Putin selbst gewollt und festgelegt und könnte daher als eine mögliche Lösung dargestellt werden, die zumindest teilweise von Putin selbst angeregt wurde“, so Pfarrer Canetta.
"Dann würde sich die Frage stellen, welche Länder den neuen Verteidigungsvertrag unterzeichnen könnten, um die Sicherheit der Ukraine zu gewährleisten. Was wäre, wenn es die Vereinigten Staaten und die Russische Föderation unter Beteiligung der Europäischen Gemeinschaft wären? Es wäre eine historische Friedensinitiative, die gleichzeitig von den USA und Russland garantiert und von zwei christlichen Führern unterzeichnet würde, einem katholischen wie Biden und einem orthodoxen wie Putin", so der ehemalige Vikar für Zentralasien weiter. "Das Motto dieser Idee, könnte zum Beispiel ein Zitat aus dem Evangelium sein: Liebe deine Feinde", hofft der Priester.
„Abgesehen von den Unterschieden in den Idiomen und teilweise auch im Alphabet“, so der katholische Priester abschließend, „hat die Kultur Russlands und der Ukraine eine große gemeinsame Geschichte. Wir dürfen nicht vergessen, was diese Völker verbindet, und gerade deshalb können wir an den gegenseitigen Respekt appellieren, wie er zwischen zwei wahren Freunden sein sollte. Russen und Ukrainer haben eine uralte, gemeinsame, große christliche Tradition, die sie oft in der Verteidigung dieser Identität vereint hat: man denke an die Kämpfe mit dem Osmanischen Reich und den Widerstand gegen die nationalsozialistische Invasion. Wir müssen uns auf dieses Erbe besinnen, um einen echten Weg der Befriedung und Versöhnung einzuschlagen".
(PA) (Fides 28/3/2022)


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