EUROPA/ITALIEN - „WISSENSCHAFT WIRD VON PERSONEN BETREIBEN, ES GIBT DESHALB KEINEN WIDERSPRUCH ZWISCHEN WISSENSCHAFT UND SUCHE NACH GOTT“: MSGR. GUTIERREZ IM GESPRÄCH MIT DEM FIDESDIENST NACH DEM KONGRESS „DIE WUNDER DER HEILIGSPRECHUNGSPROZESSE, BEGEGNUNG ZWISCHEN WISSENSCHAFT UND GLAUBEN“

Mittwoch, 22 Oktober 2003

Rom (Fidesdienst) – In den vergangenen Tagen fand in den Räumlichkeiten des Päpstlichen Athenäums „Regina Apostolorum“ ein Kongress zum Thema „Die Wunder in den Heiligsprechungsprozessen, Begegnung zwischen Wissenschaft und Glauben“ statt, an der als Redner auch Msgr. José Luis Gutierrez teilgenommen hat. Msgr. Gutierrez ist Professor für Kirchen Recht an der Universität „Santa Croce“ und Mitarbeiter der Kongregation für die Selig- und Heiligsprechungsprozesse. Die Frage der Wunder gehörte stets zu den Konfliktpunkten in den Beziehungen zwischen Wissenschaft und Glauben. Wunder scheinen eine Herausforderung für die Vernunft und das rationelle Denken zu sein. Msgr. Gutierrez, der für die Kongregation für die Selig- und Heiligsprechungsprozesse die wissenschaftliche Authentizität von Wundern attestiert, sprach mit dem Fidesdienst:

Msgr. Gutierrez, sind Gott und die Wunder alleinige Domäne des Glaubens?
Nein, das Wunder ist Etwas, was wir mit unseren Sinnen empfinden können. Deshalb kann eine Person, auch wenn sie kein Wissenschaftler ist, die Tatsache nachempfinden und zu dem Schluss kommen, dass es sich dabei um Etwas handelt, dass mit den Gesetzen der Materie nicht erklärbar ist. Wenn sich diese Person dem Transzendenten öffnet, dann kann sie eingestehen, dass es ein höheres Wesen gibt, jener Gott, an den wir Christen glauben. Wer sich dem Transzendenten öffnet kann mit dem Glauben oder zumindest mit einer Art rudimentärem Glauben zu dem Schluss kommen, dass dieses unerklärbare Ereignis Gott zuzuschreiben ist.

Ist es ein Widerspruch, wenn Wissenschaftler die Spur Gottes verfolgen?
Ich bin der Ansicht, dass je mehr Wissenschaft es gibt um so mehr Motive gibt es, Spuren Gottes zu finden und je mehr wir Wissen wollen um so mehr stoßen wir auf den Abgrund unseres Unwissens, auf das komplexe Zusammenspiel des Universums, von dem auch die größten Wissenschaftler erst einen verschwindend kleinen Teil erforscht haben. Wir sehen vor uns ein unendliches Panorama und das, was wir erkennen, zeigt uns, dass dieser Gott und Schöpfer des Universums seine Sache sehr gut gemacht hat. Je mehr wir entdecken, umso mehr sehen wir wie komplex das Werk Gottes ist und man sollte dies auch leichter anerkennen können, wenn man sich nicht ganz und gar in die Ecke des Wissenschaftlers stellt und nicht über das hinausgeht was man mit den Sinnen und der Intelligenz erklären kann.

Und was kommt dann?
Der Glaube an Gott steht nicht im Widerspruch zur Wissenschaft, den es geht nicht entweder um Glauben oder um Wissenschaft. Meiner Meinung nach muss man von der Person ausgehen, die die Wissenschaft betreibt und der Gläubige ist eine Person. In einem gewissen Umfeld betreibt diese Person Wissenschaft, sie forscht und wendet dabei die Gesetze der Materie an, um das zu erklären, was sie vor Augen hat. Doch dieselbe Person muss die Position des Gläubigen einnehmen, wenn sie Gott gegenübersteht. Es kann deshalb nicht gesagt werden, dass ein Widerspruch zur Wissenschaft besteht, ich würde vielmehr sagen, dass wenn ein Mensch wirklich nach der Wahrheit sucht, dann führt auch der Weg der Wissenschaft zu Gott. Es besteht also keinerlei Widerspruch.

Wie steht die Wissenschaft zu Fragen, die über die bekannten Naturgesetze hinausgehen?
Hierzu möchte ich zu dem Konzept zurückkehren, das besagt, dass es Personen sind, die Wissenschaft betreiben, deshalb muss man sich fragen, wie weit diese Person angesichts von Fragen gelangen kann, die nicht mit bekannten Naturgesetzen erklärbar sind. Mit der Wissenschaft kann man so weit kommen, dass man eingestehen muss, dass man auf eine Grenze gestoßen ist, die die Wissenschaft nicht erklären kann, die für die Wissenschaft unerklärbar ist. Es ist nicht gesagt, dass man in Zukunft keine wissenschaftliche Erklärung finden kann, aber zumindest im gegenwärtigen Augenblick gibt es eine solche Erklärung nicht. Dieser Person, die Wissenschaftler ist, kann sich, wenn sie an ihr Ziel gelangt ist, Gott öffnen, wenn sie feststellt, dass das Ereignis das übertrifft, was die Wissenschaft lehrt. Die Wissenschaft wird danach trotzdem weiter betrieben, doch es kommt der mehr oder weniger große, mehr oder weniger komplette Glaube dazu.

Wissenschaft und Ethik, welche Werte sollten Ihres Erachtens zugrunde liegen?
Alle Werte der Wissenschaft sind etwas Gutes, jeder wissenschaftliche Fortschritt ist an sich etwas Positives für alle. Es ist natürlich wichtig, dass sich alles in den angemessenen Grenzen abspielt. Wissenschaft ist Kenntnis einer Reihe von Mechanismen, die zum Guten oder zum Schlechten genutzt werden können. Ob man Kenntnisse zum Guten oder zum Schlechten nutzt, hierin liegt die ethische Frage. Die Werte sind ein Instrument, das wenn wir es richtig benutzen, zum Guten führt. Nuten wir es schlecht, dann verliert die Wissenschaft ihre Funktion als wertvolles Instrument. An dieser Stelle möchte ich hinzufügen: Die Wissenschaft ist nicht ein Wert an sich, denn es handelt sich um die Tätigkeit von Menschen. Nehmen wir an, dass ein Wissenschaftler auch Familienvater ist, seine Zeit jedoch vollkommen der Wissenschaft widmet, so dass ihm keine Zeit für die Familie bleibt, dass er nicht Vater sein und keine Freundschaften pflegen kann, dann wird diese Person sich vollkommen von der Wissenschaft aufgesaugt. Diese Peson sollte dann versuchen ein angemessenes Gleichgewicht zwischen der wissenschaftlichen Tätigkeit und anderen Bereichen zu finden. Ein solches Gleichgewicht stellt dann auch sicher, dass die Person eine authentische Wissenschaft betreibt und sich nicht verschließt. Sie kann sich dann auch jenem Gott öffnen, den ihm die Wissenschaft zu erkennen hilft. (AP) (Fidesdienst, 22/10/2003 – 77 Zeilen, 892 Worte)


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