OZEANIEN/PAPUA NEUGUINEA - Interview mit Kardinal John Rabat: “Das Klima der Einheit haben wir den Missionaren zu verdanken”

Freitag, 6 September 2024

Von Fabio Beretta

Port Moresby (Fides) - Die Rolle der Missionare unter den indigenen Stämmen, die Arbeit der lokalen Kirche als Teil der Weltkirche, die Freude und die Begeisterung über den Besuch des Papstes: im Interview mit Fides gibt der Erzbischof von Port Moresby, Kardinal John Ribat, einen Einblick in das Leben der christlichen Gemeinschaft in Papua-Neuguinea, dem Ziel der zweiten Etappe des Papstes auf seiner Reise nach Asien und Ozeanien.

Der Papst wird eine Kirche vorfinden, die zwar noch jung ist, aber bereits einen Märtyrer vorweisen kann…

Es handelt sich in der Tat um eine junge Kirche, die weiter wächst, auch dank des Beispiels von Peter To Rot, der bereits selig gesprochen wurde. Im Moment ist sein Heiligsprechungsprozess ins Stocken geraten, weil das Wunder fehlt. Und das wird eines der Dinge sein, um die wir den Papst bitten werden: in den Heiligsprechungsprozess einzugreifen*. Als Gemeinschaft hoffen wir, dass dieser Prozess innerhalb des nächsten Jahres abgeschlossen wird, so dass wir unseren Katechisten sehr bald als Heiligen sehen können. Hier in Papua-Neuguinea ist die Kirche jung, aber der Glaube ist stark, und die Katholiken sind begeistert von diesem Papstbesuch. Viele Menschen kommen aus dem Hochland und den Nachbarländern, aber auch aus den Suffraganbistümern nach Port Moresby. Viele pilgern betend zu Fuß oder mit dem Boot.

Wie wichtig sind die Missionare in Papua-Neuguinea? Was denken Sie, warum der Papst die Missionare in diesem Land treffen wollte?

Die ersten Missionare kamen vor mehreren Jahrhunderten in dieses Land. Verglichen mit den ersten Missionaren, die damals kamen, gibt es heute weniger missionarisches Personal, aber die christliche Gemeinschaft hat die Anfänge der Missionen immer noch im Gedächtnis, vor allem dank der Deutschen und Amerikaner. Heute leben und arbeiten sie, verstreut in vielen Teilen Papua-Neuguineas und in verschiedenen Diözesen. Sie kommen aus Indien, den Philippinen und Indonesien. Es gibt aber auch, wie zu Beginn, Missionare aus Europa, wie die italienischen Salesianer Don Boscos. In Vanimo, einer anderen Stadt, die der Papst besuchen wird, gibt es Missionare aus Argentinien, seine Landsleute. Die Arbeit der Missionare ist für uns wichtig, und zwar nicht nur, weil sie den katholischen Glauben weiter verbreiten. Sie ermutigen die Menschen, sie arbeiten mit ihnen. Und das ist wichtig. Es besteht ein gutes Verhältnis zwischen den Missionaren und der Bevölkerung, was darauf zurückzuführen ist, dass mehrere Diözesen in Papua-Neuguinea, historisch gesehen, von Missionaren gegründet wurden. Und jetzt, mit der Ankunft des Papstes, hilft das Volk sehr bei den Vorbereitungen. Unsere Bischofskonferenz vereint Papua-Neuguinea mit den Salomon-Inseln, und viele Menschen sind auch von dort gekommen, um uns bei der Organisation zu helfen. Wenn es hier dieses Klima der Einheit im Glauben gibt, dann verdanken wir das den Missionaren.



In Papua-Neuguinea gibt es Kämpfe zwischen indigenen Stämmen. Greift die Kirche irgendwie ein? Die Stämme kämpfen untereinander, aber in den Seminaren gibt es junge Priesteramtskandidaten aus verschiedenen Dörfern, die dort friedlich zusammenleben...

Diese Stammeskämpfe finden nicht überall statt. Es gibt sie vor allem in den Bergregionen, wo die Kirche, anders als in den Küstengebieten, erst vor einigen Jahrzehnten Einzug gehalten hat. Es handelt sich um schwer zugängliche Dörfer, deren Bräuche und Traditionen stark in der Vergangenheit verwurzelt sind. Es handelt sich auch um ein ökologisch fragiles Gebiet; in letzter Zeit gab es immer wieder Naturkatastrophen, bei denen mehrere Menschen ums Leben kamen. Dennoch gibt es überall im Land soziale Spannungen. Am 10. Januar dieses Jahres kam es zu Protesten gegen Lohnkürzungen. In der Stadt gab es Tote, Geschäfte wurden geplündert, Autos in Brand gesetzt... Erst jetzt erholen wir uns davon. Als Kirche haben wir Erklärungen an die Presse abgegeben, die auch in den Kirchen verlesen werden. In diesen Stellungnahmen haben wir nicht nur jede Art von Gewalt verurteilt, sondern auch neue Schlüssel zum Verständnis der verschiedenen Probleme und der neuen Gesetze gegeben, weil sie nicht gut erklärt wurden. Bei den Stammeskämpfen ist das anders. Wir lassen uns vom Wort Gottes inspirieren.

Es ist bereits das zweiten Mal, dass ein Papst dieses Land besucht: Was kann die lokale katholische Gemeinschaft zur Weltkirche beitragen?

Diese Frage beschäftigt uns als Glaubensgemeinschaft nun schon seit Wochen. Wir versuchen zu verstehen, was und wie wir etwas tun können, um anderen zu helfen. Eine erste „praktische“ Antwort, die wir uns selbst gegeben haben, war, neue Missionare zu senden. Sie haben uns den Glauben weitergegeben, und jetzt sind wir bereit, aufzubrechen, um die Kirche dort wachsen zu lassen, wo sie gebraucht wird. Einige unserer Priester sind in Argentinien oder Brasilien. Einige sind nach Afrika gegangen. Aber das ist nur ein kleiner Beitrag. Wir sind auch eine wachsende Kirche, und wir bemühen uns, die Lehren des Evangeliums und die Lehre der Weltkirche hier gut zu leben. Auch das gibt uns das Gefühl, Teil von etwas Universellem zu sein. Der Besuch eines Papstes hilft uns dabei, er gibt den Anstoß, die Universalität auch zu Hause zu pflegen, indem man die Messe besucht.

Wo liegen die größten Schwierigkeiten bei der Verkündigung des Evangeliums durch die Kirche in Papua-Neuguinea heute?

Eine der Schwierigkeiten sind die Fehlinformationen, die in den sozialen Medien und darüber hinaus verbreitet werden. Als Kirche haben wir es uns zur Aufgabe gemacht, den Menschen zu helfen, zu verstehen, wann es sich um Fake News handelt. Wir werden mit so vielen Nachrichten bombardiert, und das schafft Verwirrung. In diesem Sinne - und ich spreche für mich selbst - haben mir die Worte des heiligen Paulus im Gespräch mit den Menschen sehr geholfen. Und ich frage mich immer wieder, wie die Kirche das Evangelium in diesen Zeiten, in denen Veränderungen an der Tagesordnung sind, gut verkünden kann. Die Antwort, die ich mir selbst gegeben habe, lautet: Auch wenn sich alles ändert, bleibt die Wahrheit dieselbe. Und die Wahrheit ist für uns Christus. Das Wort Gottes ist nach 2.000 Jahren immer noch dasselbe, es hat sich nicht verändert. Manche versuchen, eine falsche Botschaft zu vermitteln, sie interpretieren es, um es an die Veränderungen in der Welt „anzupassen“. Aber das ist nicht die Wahrheit.


Obwohl Papua-Neuguinea eine kleine Herde ist, steigt nach offiziellen Angaben die Zahl der Taufen und Berufungen: Wie erklären Sie sich das?

Die Berufungen nehmen zu, weil junge Menschen, aber auch ältere, einen Beitrag leisten wollen, um etwas Wichtiges für ihr Land zu tun. Die Kirche hat sie dazu immer ermutigt. Gerade junge Menschen haben einen wichtigen Platz im Leben der Kirche. Viele beginnen vor dem Eintritt in das Priesterseminar mit den unterschiedlichsten Diensten, aber immer im Dienste des Nächsten. Und langsam spürt man, dass das, was man tun, nicht ausreicht, um sich selbst zu verwirklichen. Auch die Taufen nehmen zu, aber das ist auch eine Folge des Bevölkerungswachstums. Ich stelle aber auch fest, dass immer mehr junge Menschen kirchlich heiraten. Das sind junge Menschen, denen die Kirche geholfen hat, im Glauben zu wachsen, und die jetzt sagen können, dass sie im Leben erfüllt sind.
(Fides 6/9/2024)

* Es gibt Fälle, die nach dem Äquivalenzprinzip ablaufen, das sowohl bei der Seligsprechung als auch bei der Heiligsprechung angewandt wird. Dabei handelt es sich um ein Verfahren, bei dem der Papst nach einer angemessenen Prüfung einen bereits seit einiger Zeit bestehenden Kult anerkennt, ohne auf ein anzuerkennendes Wunder zu warten. Es unterscheidet sich von den formellen Selig- und Heiligsprechungen, für die die Kirche eine reguläre Untersuchung und ein entsprechendes Wunder vorsieht. Darüber hinaus kann der Papst besondere Entscheidungen treffen. Papst Franziskus hat dies im Fall von Johannes XXIII. getan, der aufgrund seines seit Jahrzehnten weltweit verbreiteten Rufs der Heiligkeit heiliggesprochen wurde, ohne dass ein zweites Wunder anerkannt wurde. Ein außergewöhnliches Verfahren wandte auch Benedikt XVI. in Bezug auf Johannes Paul II. an, dessen Heiligsprechungsprozess wenige Wochen nach seinem Tod eingeleitet wurde, ohne die vorgeschriebenen fünf Jahre zu warten.
(Webseite des Dikasteriums der Selig- und Heiligpsrechungsprozesse)


Teilen: