Diplomatie und die Mission der Kirche: Deshalb spricht der Papst zu den Botschaftern

Montag, 8 Januar 2024 evangelisierung   missionarische Öffentlichkeitsarbeit   papst franziskus   diplomatie  

Von Gianni Valente
Rom (Fides) - Die Rede, die der Bischof von Rom jedes Jahr vor dem beim Heiligen Stuhl akkreditierten Diplomatischen Korps hält, ist nicht nur eine Darlegung der "persönlichen Meinung" des amtierenden Papstes über den Zustand der Welt. In der heutigen Zeit ist es noch offensichtlicher, dass der Beitrag des kritischen Denkens, den Papst Franziskus leistet, um die wahre Natur der grausamen Konflikte und der beispiellosen Propagandamechanismen, die auf der Weltbühne am Werk sind, zu begreifen, auf einer langen Tradition beruht. Die historische Einzigartigkeit des Heiligen Stuhls, der von den Regierungen auf der ganzen Welt als souveränes Subjekt anerkannt wird, das befugt ist, diplomatisch in internationalen Szenarien zu intervenieren, tritt in den Vordergrund.
Der Katholizismus", so betont Victor Gaetan immer wieder, sei ist die einzige universelle Glaubensgemeinschaft, die international als "souveräne Einheit" anerkannt ist und eine "internationale Persönlichkeit" besitzt, die es ihr erlaubt, diplomatische Vorrechte auszuüben, die souveränen Staaten vorbehalten sind.
Die päpstliche Diplomatie ist mit ihren Strukturen vollständig in das Netz und die Praxis der Beziehungen zwischen geopolitischen Subjekten eingebettet. Sie hält sich an die Regeln und Protokolle des diplomatischen Spiels. Dennoch ist sie von Merkmalen und operativen Kriterien geprägt, die oft die eigentliche geheimnisvolle Quelle offenbaren, aus der sich ihre genetische Anomalie speist.
Die dauerhafte diplomatische Projektion des Papsttums und der katholischen Kirche ist vor allem ein Produkt der Geschichte und hat sich im Zusammenspiel vorgegebener Umstände herausgebildet. Sie ist sicherlich auch das Erbe der Jahrhunderte, in denen der Papst und der Kirchenstaat historisch in das System der Beziehungen und Konflikte zwischen vormodernen und modernen Staaten eingebunden waren. Sein "Dabeisein" ist also nicht durch ein "göttliches Recht" gerechtfertigt, und es behält den Charakter der Zufälligkeit. Das gesamte diplomatische Netz des Heiligen Stuhls könnte sich morgen auflösen, und die katholische Kirche könnte weiter durch die Geschichte gehen, ohne ein wesentliches Merkmal ihrer sakramentalen und apostolischen Natur zu verlieren. Aber in den sich wandelnden Zeiten kann dieses Instrument, das mit den Mechanismen der institutionellen Technik nicht reproduziert werden kann, mit all dem Gepäck seiner tausendjährigen Geschichte, in den neuen Kontexten, denen sich die Kirche im Laufe der Geschichte stellen muss, weiterhin wertvoll sein.
Die Einzigartigkeit der mit dem Apostolischen Stuhl verbundenen Diplomatie spiegelt sich auf ihre Weise auch in den besonderen Merkmalen ihres „Modus Operandi“ wider. Der Auftrag, das Evangelium zu verkünden, und der zugrunde liegende Bezug auf das Naturrecht dienen trotz vieler Widersprüche und menschlicher Verirrungen als Kompass, an dem sich der Einsatz des diplomatischen Instruments neu ausrichten lässt. Eine Dynamik, die sich gerade seit der Befreiung der katholischen Kirche von der schwerfälligen Last des Kirchenstaates und der weltlichen Macht der Päpste mit größerer Authentizität entfalten kann.
Den einzigartige „Modus Operandi“ der päpstlichen Diplomatie umschreibt Victor Gaetan in seinem Buch als "langjährige Praktiken" der päpstlichen diplomatischen und geopolitischen Initiative: das Bestreben, in Konfliktsituationen nicht von der einen oder anderen Seite erdrückt zu werden; der Beitrag zur Überwindung geopolitischer Auseinandersetzungen, ohne "triumphalistische" Gewinner und gedemütigte und nachtragende Verlierer zu schaffen, wenn man den Frieden wirklich vor dem Wiederaufflammen des Hasses bewahren will; die Fähigkeit, den Dialog mit allen zu suchen und zu fördern, auch mit Gesprächspartnern, die von Großmächten und supranationalen Institutionen als "unvorstellbar" gebrandmarkt werden; die Neigung, die menschlichen Ressourcen der Geduld bis zum Äußersten zu nutzen, um scheinbar unentwirrbare Knoten zu entwirren, ohne Bedingungen zu stellen. Die Absicht, Netzwerke zu knüpfen, nach "Gemeinsamkeiten" zu suchen, um unterschiedliche und gegensätzliche Interessen zu vereinen und dabei immer die Wege und Lösungen zu bevorzugen, die den konkreten Menschen Leid ersparen. "Wenn es sich darum handeln würd, auch nur eine einzige Seele zu retten, einen größeren Schaden von den Seelen abzuwenden", sagte Pius XI., der Papst der Lateranverträge, die der "Römischen Frage" ein Ende setzten, zitiert von Gaetan, "so würden wir den Mut aufbringen, es mit dem Teufel aufzunehmen" (Rede vor den Professoren und Studierenden des Collegio di Mondragone, 14. Mai 1929).
Die historische Verflechtung zwischen der Rolle der päpstlichen Diplomatie und der Mission, das Evangelium Christi zu verkünden, stand auch im Mittelpunkt eines internationalen Kolloquiums, das kürzlich in Paris von den „Missions étrangères de Paris“ (MEP) organisiert wurde. Das Kolloquium mit dem Titel "Der Heilige Stuhl in der heutigen Zeit: Weltmission, Evangelisierung und päpstliche Diplomatie", das am 9. Dezember am Sitz der „Missions étrangères de Paris“ stattfand, sollte dokumentieren, wie der Heilige Stuhl auch mit Hilfe der päpstlichen Diplomatie "seine hohe Mission der Verkündigung des Evangeliums und der Schaffung des Friedens für alle unter Wahrung seiner Neutralität und sogar Unparteilichkeit" verfolgen will. Zu den Rednern gehörten auch geladene Vertreter der Archive des Heiligen Stuhls.
Pfarrer Flavio Belluomini, Archivar des Dikasteriums für Evangelisierung, veranschaulichte in seinem Vortrag, wie die in der Welt verstreuten Vertreter des Heiligen Stuhls - an sich Diplomaten - stets eng mit der Kongregation „de Propaganda Fide“ zusammenarbeiteten, die sie und ihre Netzwerke auch zur Pflege der Beziehungen zu den Missionaren nutzte. Bereits am 8. März 1622, so Pfarrer Belluomini, hätten die Mitglieder der neu gegründeten Kongregation „de Propaganda Fide“ dreizehn verschiedene Gebiete in der Welt für die Missionsarbeit bestimmt und Nuntien und apostolische Vertreter zur Beobachtung dieser Arbeit hinzugezogen. Der Beitrag des Archivars des Dikasteriums für Evangelisierung konzentrierte sich auf Fakten und Erfahrungen aus dem 17. und 18. Jahrhudert. Nach ihm hielt Professor Claude Prodhomme von der „Université Lumière Lyon 2“ einen Vortrag über diplomatische Aktivitäten zugunsten der universellen Mission der Kirche im 19. und 20. Jahrhundert.
(Fides 8/1/2024)


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