AFRIKA/ZENTRAFRIKANISCHE REPUBLIK - Bangui versinkt im Chaos: Beobachter berichten über die Ereignisse der vergangenen Tage

Dienstag, 29 September 2015 politik  


Bangui (Fides) – Die Situation in Bangui, der Hauptstadt der Zentralafrikanischen Republik, die in den vergangenen Tagen Schauplatz schwerer Ausschreitungen war, bleibt angespannt. Einheimische Beobachter berichten gegenüber Fides über die Ereignisse der vergangenen Tage:
In der Nacht vom 25. auf den 26. September wurde ein junger muslimischer Mann in einem so genannten “christlichen” Viertel der Hauptstadt ermordet. Am Samstagmorgen wurde seine Leiche zur großen Moschee in Bangui gebracht. Die Reaktion ließ nicht lange auf sich warten: noch al selben Morgen drang eine Gruppe aufgebrachter Muslime in das Viertel ein, in dem der junge Mann ermordet worden war und schossen wild um sich; dabei kamen rund ein Dutzend Menschen ums Leben, etwa vierzig wurden verletzt. Die Menschen ergriffen die Flucht und suchten Schutz in den Flüchtlingsaufnahmestellen, die in zahlreichen Pfarreien immer noch geöffnet sind: rund 3.000-4.000 Menschen verließen ihre Wohnungen.
Am frühen Nachmittag des 26. September gingen “Anti-Balaka”-Milizen (die angeblich Christen und Animisten vor muslimischen Übergriffen schützen) zum Gegenangriff über und verwüsteten einen muslimischen Radiosender; daraufhin plünderten muslimische Milizen die benachbarte St. Michel-Pfarrei (der Gemeindepfarrer hielt sich zu dem Zeitpunkt zu einer Versammlung in der Kathedrale auf) und das Wohnhaus des Pastors Nicolas Guerekoyame Gbangou (der neben Erzbischof Dieudonné Nzapalainga und dem Imam Oumar Kobine Layama die protestantischen Christen bei der interreligiösen Plattform vertritt), der sich auf der Rückkehr von einer Reise ins Ausland befand. Bei weiteren Unruhen, die den ganzen Nachmittag andauerten, gab es weitere Tote und Verletzte.
Die internationalen Einheiten der MINUSCA, waren nicht auf die Ereignisse vorbereitet und haben deren Ausmaß falsch eingeschätzt, weshalb sie sich darauf beschränkten die eigenen Einrichtungen zu schützen und die Situation mit Hubschraubern aus der Luft zu beobachten.
Am Abend zogen die Krankenhäuser der Stadt eine erste Bilanz: 21 Tote und 110´Verletzte. Unterdessen teilte das Rote Kreuz mit, man haben nicht alle Toten und Verletzten bergen können, weshalb es sich nur um eine provisorische Bilanz handle.
Die Oppositionsparteien schlossen sich unterdessen den “Anti-Balaka”-Milizen an und luden die Einwohner zu einer Bewegung des zivilen Ungehorsams ein. In diesem Zusammenhang forderten sie auch den Rückzug der französischen Soldaten, die ihrer Meinung nach für die Entwicklung im Land verantwortlich sind. Gleichsam verlangten sie den Rücktritt des Präsidenten und der Regierung und den Beginn einer neuen Überganszeit. Diesen Forderungen soll bei einer großen Kundgebung am 30. September Ausdruck verliehen werden. Unterdessen forderten sie die Bürger auf die Fahrzeuge der Vereinten Nationen und der internationalen Hilfswerke mit Steinen zu beschmeißen: sie seien im Land um sich zu bereichern und nicht um wirklich einen Ausweg aus der Krise zu finden.
Erzbischof Dieudonné Nzapalainga besuchte am späten Vormittag des 27. September die Verletzten und deren Angehörige in den Krankenhäusern der Stadt.
Derzeit erscheinen eine Analyse der Ereignisse und die Vorhersage zu künftigen Entwicklungen schwierig. In der muslimischen Gemeinde herrscht eine gewisse Nervosität, die bereits Anfang des Monats in der Hauptstadt sichtbar wurde und sich bei anderen Anlässen im Landesinneren insbesondere im Zentrum des Landes (Bambari) und im Norden (Kaga-Bandoro). In den vorwiegend von Muslimen bewohnten Regionen wurde mit der Volkszählung (mit Blick auf bevorstehende Wahlen mit großer Verspätung begonnen (mit der Zählung der Vertriebenen wurde noch nicht einmal begonnen). In den kommenden Tagen wird sich zeigen, ob es der Regierung und den Einheiten der MINUSCA gelingt, die Situation zu kontrollieren und die Bevölkerung zu beruhigen oder ob die Bürger sich dem Aufruf zur Mobilisierung anschließen. (LM) (Fides 29/9/2015)


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