ASIEN/PAKISTAN - Pakistanischer Staatsekretär im Ministerium für Harmonie beim Papst: „Dialog, Bildung, Religionsfreiheit: wir wünschen uns den Besuch des UN-Beobachters in Pakistan“

Dienstag, 15 November 2011

Vatikanstadt (Fidesdienst) – Der neue katholische Staatsekretär im Ministerium für Harmonie der pakistanischen Regierung, Akram Gill, der Papst Benedikt XVI. im Rahmen der morgigen Generalaudienz vorgestellt werden wird, nennt im Gespräch mit dem Fidesdienst die Prioritäten bei der Ausübung seines Amtes. Er will sich insbesondere für den Wiederaufbau des Landes gemäß der Inspiration des Staatsgründers Ali Jinnah einsetzen, der sich einen säkularen und toleranten Staat wünschte. Dabei will er sich vor allem unermüdlich für den interreligiösen Dialog engagieren und damit auch die Lage der religiösen Minderheiten verbessern und insbesondere immer wieder das delikate Thema des umstrittenen Blasphemieparagraphen ansprechen. In diesem Zusammenhang wünscht er sich auch eine „Sonderkommission für religiöse Minderheiten“ bei den Vereinten Nationen und lädt den UN-Beobachter für religiöse Toleranz zu einem Besuch in Pakistan ein. Nicht zuletzt fordert er die ausländischen Geldgeber der pakistanischen Regierung auf, besondere Gelder für die religiösen Minderheiten bereitzustellen. Akram Gill wird während seines Aufenthalts in Italien an verschiedenen Studienseminaren und Konferenzen teilnehmen.

Wie würden Sie die Lebensbedingungen der religiösen Minderheiten in Pakistan umschreiben?

Religiöse Minderheiten leiden heute in Pakistan unter Problemen, die im wesentlichen von der Regierung unter dem Diktator Zia-ul-Haq verursacht wurden: seit 1970 verabschiedete diese Regierung im Namen des Islam Gesetze, die Minderheiten diskriminieren. Heute möchten wir wieder zur ursprünglichen Inspiration des Staatsgründers Ali Jinnah zurückkehren, der 1947 in der Verfassung die Gleichberechtigung aller Bürger und das freie Bekennen des eigenen Glaubens festschrieb. Einige Fortschritte hat es bereits gegeben: die gegenwärtige demokratische Regierung hat die Vertretung der Minderheiten im Parlament eingeführt und behält ihnen 5% der Arbeitsplätze in der öffentlichen Verwaltung vor. Wir setzen uns für die Verbesserung der Lage der religiösen Minderheiten ein.

Welche dringenden Herausforderungen gibt es beim Engagement für religiöse Minderheiten?

Dazu gehören vor allem Bildung sowie wirtschaftliche und soziale Entwicklung. Durch den Zugang zur Bildung haben Christen, die oft in armen und ausgegrenzten Gemeinden leben, später auch Zugang zur Arbeits- und Geschäftswelt. Ich glaube, dass das Bildungssystem einer globalen Reform bedarf: die Regierung will auch in diesem Bereich ein Neuerung auf den Weg bringen und das Ministerium für Harmonie wird dazu seinen Beitrag leisten, indem es die Einführung von Themen mit Bezug zum harmonischen Zusammenleben der Religionen auf den Lehrplänen des Landes anregt. Dies ist für den Aufbau von Frieden und Toleranz von grundlegender Bedeutung. Gerne würde ich auch vorschlagen, dass christliche Schulen in Pakistan, die zu 99% von Muslimen besucht werden, für christliche Schüler kein Schulgeld verlangen: dies wäre ein weiterer wichtiger Fortschritt.

Wie arbeitet das Ministerium für Harmonie?

An erster Stelle durch politische und gesetzliche Maßnahmen, die das harmonische Zusammenleben zwischen den Religionen in der pakistanischen Gesellschaft fördern.
Wir verfügen heute über ein Budget von 216 Millionen Rupie (2,5 Millionen Dollar), die wir für Förderprogramme für religiöse Minderheiten nutzen. Das Ministerium wird auch einen Teil der Fonds erhalten, die die Regierung für andere Programme bereithält, wie zum Beispiel für wirtschaftliche Entwicklung, die wir für arme Gemeinden zu Verfügung stellen. Ich würde in diesem Zusammenhang gerne an die internationalen Geldgeber appellieren: bei finanziellen Hilfen, die sie Pakistan anbieten, sollten sie auch Mittel für religiöse Minderheiten in einem Umfang von 5% bereithalten. Die USA und die europäischen Staaten könnten ihre Hilfen auch an spezifische Programme binden, von denen Minderheiten profitieren. Zudem schlagen wir auf internationaler Ebene die Einrichtung einer „Sonderkommission für religiöse Minderheiten“ bei den Vereinten Nationen vor. Dabei möchte ich auch eine offizielle Einladung zu einem Besuch des UN-Sonderbeobachters für religiöse Toleranz aussprechen, der Pakistan zuletzt 1995 besuchte.

Wie beurteilen Sie den Blasphemie-Paragraphen?

Dies ist heute ein sehr delikates und umstrittenes Thema. Der Augenblick ist nach dem Mord an Shabhaz Bhatti und Salman Taseer nicht geeignet für eine öffentliche Debatte. Religiöse Parteien und radikalislamische Extremisten haben großen Einfluss und lehnen eine Änderung des Gesetzes ab, dass ebenfalls unter dem Diktator Zia-ul-Haq verabschiedet wurde. In dieser Phase können wir kaum handeln, doch wir versuchen unterdessen die politischen Parteien auf den Missbrauch hinzuweisen, zu dem es im Zusammenhang mit diesem Gesetz kommt: dies ist ein erster wichtiger Schritt. Es muss ein kultureller Hintergrund geschaffen werden, der eine Revision des Gesetzes ermöglicht. Seit 1986 waren mehr Muslime vom Missbrauch im Zusammenhang mit dem Paragraphen betroffen als Christen und Hindus, weshalb auch sie mit einer Revision einverstanden sein sollten. Auch in diesem Fall ist der interreligiöse Dialog von grundlegender Bedeutung: wenn es uns nicht gelingt, ein Klima des harmonischen Zusammenlebens der Religionen zu schaffen, dann wird kein Wandel möglich sein.

Was werden Sie dem Papst bei Ihrer Begegnung sagen?

Ich werden ihm für sein besonderes Augenmerk und seine Unterstützung der Christen in Pakistan danken und ihn um sein Gebet für uns bitten und um die Unterstützung unseres Bemühens um Harmonie, Frieden und Toleranz. Wir vertrauen auf seinen Beistand auch wenn es darum geht katholische Bildungsinstitute davon zu überzeugen, dass sie katholische Schüler in Pakistan kostenlos unterrichten. (PA) (Fidesdienst, 15/11/2011)


Teilen: