APOSTOLISCHE REISE - Papst Franziskus in Indonesien: Auszüge aus der Ansprache in der Moschee

Donnerstag, 5 September 2024

Vatican Media

Giacarta (Fides) - „Den vielen Zeichen der Bedrohung, den dunklen Zeiten, wollen wir das Zeichen der Geschwisterlichkeit entgegensetzen“. Am dritten und letzten Tag des Aufenthalts von Papst Franziskus in Jakarta, der Hauptstadt Indonesiens und ersten Station seiner Apostolischen Reise nach Asien und Ozeanien, stand der interreligiösen Dialog und Spiritualität. Am Morgen besuchte der Papst die „Istiqlal“-Moschee, wo er vom Großimam, Nasaruddin Umar, empfangen wurde.
Gemeinsam besuchten sie den „Tunnel der Freundschaft“, der die Kathedrale mit der Moschee verbindet (siehe Fides 23.7.2024). „Mein Dank gilt allen, die in der Überzeugung arbeiten, dass wir in Harmonie und Frieden leben können, im Bewusstsein der Notwendigkeit einer geschwisterlicheren Welt“, so die Worte des Bischofs von Rom vor dem Tunnel. Anschließend begaben sich der Papst und der Imam in das große Zelt, in dem das interreligiöse Treffen stattfindet.
Nach einem traditionellen muslimischen Begrüßungstanz, dem kurzen Singen einer Koranpassage, der Verlesung des Gleichnisses vom barmherzigen Samariter aus dem Lukasevangelium und der Begrüßung durch den Imam hielt der Papst seine Rede. Es folgte die Unterzeichnung der „Gemeinsamen Erklärung von Istiqlal 2024“.

Hier sind die wichtigsten Passagen der Rede des Papstes:

Ich freue mich, hier zu sein, in der größten Moschee Asiens, zusammen mit euch allen.
Gern erinnere ich daran, dass diese Moschee von dem Architekten Friedrich Silaban entworfen wurde, der Christ war und den Wettbewerb gewonnen hatte. Dies bezeugt, dass die Moschee in der Geschichte dieses Landes und in der hiesigen Kultur, ebenso wie die anderen Gotteshäuser, ein Raum des Dialogs, des gegenseitigen Respekts und des harmonischen Miteinanders zwischen den Religionen und unterschiedlichen spirituellen Richtungen ist. Dies ist ein großes Geschenk, das ihr jeden Tag bewahren solltet, damit die religiöse Erfahrung ein Bezugspunkt für eine geschwisterliche und friedliche Gesellschaft ist und niemals ein Grund für Abschottung und Konfrontation.
In diesem Zusammenhang ist der Bau eines unterirdischen Tunnels – des „Tunnels der Freundschaft“ – zu erwähnen, der die Istiqlal-Moschee und die Mariä-Himmelfahrts-Kathedrale verbindet. Es handelt sich um ein vielsagendes Zeichen, durch welches diese beiden großen Gotteshäuser nicht nur einander „gegenüber“ stehen, sondern auch miteinander „verbunden“ sind.
Ich ermutige euch, auf diesem Weg weiterzugehen, so dass wir alle gemeinsam – wobei jeder seine eigene Spiritualität pflegt und seine eigene Religion praktiziert – auf der Suche nach Gott unterwegs sind und zum Aufbau offener Gesellschaften beitragen, die auf gegenseitigem Respekt und wechselseitiger Liebe gründen und in der Lage sind, Starrheit, Fundamentalismus und Extremismus zu verbannen, die immer gefährlich und nie zu rechtfertigen sind.

In dieser Perspektive, die durch den unterirdischen Tunnel symbolisiert wird, möchte ich zwei Einladungen aussprechen, um den Weg der Einheit und Harmonie, der bereits eingeschlagen wurde, zu fördern.


Die erste Einladung lautet: Stets tiefer blicken, denn nur dort kann man das finden, was jenseits der Unterschiede verbindet.
Wenn wir in die Tiefe gehen und erfassen, was im Innersten unseres Lebens vor sich geht, wenn wir das Verlangen nach Fülle wahrnehmen, das in der Tiefe unseres Herzens wohnt, dann entdecken wir, dass wir alle Geschwister sind, alle Pilger, alle auf dem Weg zu Gott, jenseits dessen, was uns unterscheidet.
Die zweite Einladung lautet: Sorge tragen für die Verbindungen. Der Tunnel wurde von einer Seite zur anderen gebaut, um eine Verbindung zwischen zwei unterschiedlichen und voneinander entfernten Orten zu schaffen.
Manchmal denken wir, dass die Begegnung der Religionen eine Frage ist, bei der es darum geht, um jeden Preis Gemeinsamkeiten zwischen verschiedenen Lehren und religiösen Bekenntnissen zu finden. In Wirklichkeit kann es passieren, dass ein solcher Ansatz uns am Ende auseinanderbringt, weil die Lehren und Dogmen einer jeden Religion unterschiedlich sind. Was uns einander wirklich näherbringt, ist eine Verbindung zwischen unseren Unterschieden zu schaffen, darauf zu achten, Bande der Freundschaft, der Aufmerksamkeit und der Gegenseitigkeit zu pflegen
Es sind Bindungen, die es uns ermöglichen, zusammenzuarbeiten und manche Ziele gemeinsam zu verfolgen, bei der Verteidigung der Menschenwürde, beim Kampf gegen die Armut, bei der Förderung des Friedens.
„Den Einklang der Religionen zum Wohl der Menschheit zu stärken“ – das ist die Inspiration, der wir folgen sollen und die auch der Gemeinsamen Erklärung den Titel gibt, die zu diesem Anlass vorbereitet worden ist. Darin nehmen wir uns verantwortungsvoll der ernsten und manchmal dramatischen Krisen an, die die Zukunft der Menschheit bedrohen, insbesondere der Kriege und Konflikte, die leider auch durch die Instrumentalisierung von Religion genährt werden, aber auch der Umweltkrise, die zu einem Hindernis für das Wachstum und das Zusammenleben der Völker geworden ist. Und angesichts dieses Szenarios ist es wichtig, dass die Werte, die allen religiösen Traditionen gemeinsam sind, gefördert und gestärkt werden und der Gesellschaft helfen, „die Kultur der Gewalt und der Gleichgültigkeit zu besiegen“ (Gemeinsame Erklärung von Istiqlal) sowie Versöhnung und Frieden zu fördern.
(F.B.) (Fides 5/9/2024)


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