AMERIKA/HAITI - Pater Víctor Auguste: “Die Situation lässt sich kaum in Worte fassen”

Freitag, 7 Juni 2024

Port-au-Prince (Fides) - "Das Leben in Haiti, insbesondere im Großraum Port-au-Prince, lässt sich kaum in Worte fassen. Wir befinden uns in einem Zustand fast völliger Anarchie. Die Menschen sind im Allgemeinen nicht in der Lage, ihren Tätigkeiten nachzugehen, und die wichtigsten Straßen sind gesperrt", so der in Haiti lebende Pater Victor Auguste, ein Missionar der Salesianer Don Boscos. "Die Gewalt der Banden führt zu einer beträchtlichen Anzahl von Vertriebenen, vor allem Frauen und Kinder“, bekräftigt er. Trotz der großen Unsicherheit und des Elends stehen die Salesianer Don Boscos zusammen mit vielen anderen dem haitianischen Volk weiterhin zur Seite.
„Jeden Tag sind wir enormen Risiken ausgesetzt, und wenn ich höre, dass eine Einrichtung überfallen wurde, denke ich daran, wann wir an der Reihe sein werden", fährt der Missionar und Ökonom der Salesianer Don Boscos fort. „Vor ein paar Wochen wurden mehrere Ordensschwestern entführt. Die Täter sind in ihr Haus eingedrungen und haben sie mitgenommen. Nach ein paar Tagen sind sie wieder aufgetaucht. Und dasselbe passiert mit der Zivilbevölkerung. Sie verschwinden und die Täter fordern um Geld, um sie freizubekommen. Wir leben inmitten der Ereignisse und sind wie unsere Brüder und Schwestern mit den gleichen Schwierigkeiten konfrontiert. Doch wir haben nie die Möglichkeit in Betracht gezogen, das Land zu verlassen, denn das würde bedeuten, dass wir unseren Auftrag aufgeben, den Bedürftigsten in schwierigen Zeiten zu helfen. Es ist wahr, dass wir jetzt alle verletzlich sind, aber es ist unsere Lebensentscheidung. Den Menschen nahe zu sein und zu erleben, was sie durchmachen, ist bereits ein großes Zeichen der Hoffnung, denn wir hoffen, dass es uns gelingt, ihnen in ihren dringendsten Bedürfnissen zu helfen."
"Wir leben ständig in einem Klima der Unsicherheit, mit Zwangsumsiedlungen und Hungersnöten. Die Probleme mit Nahrungsmitteln, Hygiene und Trinkwasser müssen dringend gelöst werden. Es ist auch sehr schwierig, das wirtschaftliche Überleben zu sichern. Das wenige Geld, das wir hatten, war für die Einschulung der Schüler bestimmt. Jetzt können die meisten Schulen in Port-au-Prince nicht geöffnet werden. Als Ökonom muss e ich die Gemeinschaft um eine drastische Rationierung bitten, denn wir wissen wirklich nicht, was morgen passiert. Klar ist, dass die Banden das ganze Land kontrollieren wollen. Die meisten finanziellen Mittel, die wir haben, kommen aus dem Ausland. Es ist sehr schwierig, in den Ballungsgebieten Hilfe zu bekommen, weil die Kommunikationswege geschlossen sind. Im Rest des Landes, vor allem im Norden, kann jedoch etwas getan werden. Dort können wir Produkte kaufen und sie an diejenigen verteilen, die uns am nächsten stehen, wie z. B. Studenten, ihre Familien und unsere Mitarbeiter“, berichtet der Missionar.
P. Victor schließt mit einem Appell an die gesamte internationale Gemeinschaft, sich an Initiativen zu beteiligen, um dem haitianischen Volk aus seiner ernsten Lage zu helfen. "Haiti befindet sich seit Jahren in einer schweren politischen, wirtschaftlichen und sozialen Krise... und aus diesem Grund ist es schwierig, konkrete und praktische Hilfe zu mobilisieren, die den kriminellen Banden entgegenwirken kann. Wir sind all jenen dankbar, die uns helfen, und für das Interesse, das sie zeigen, um etwas über diese Krise zu erfahren, die wir im Stillen und angesichts der Gleichgültigkeit der internationalen Gemeinschaft durchleben", bekräftigt der Ordensmann.
(AP) (Fides 7/6/2024)


Teilen: