ASIEN/SYRIEN - Bischof Audo nach Treffen mit Vertretern der bewaffneten Gruppen: “Man respektiert unsere Traditionen“

Dienstag, 10 Dezember 2024 mittlerer osten   ostkirchen   ortskirchen   islam   geopolitik  

Kantsasar

Von Gianni Valente

Aleppo (Fides) - Am Montag, den 9. Dezember, trafen sich die Verantwortlichen aller in Aleppo vertretenen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften zum zweiten Mal mit Vertretern der bewaffneten Gruppen, die die Kontrolle über die syrische Stadt übernommen haben. Es war das erste Treffen nach der Flucht von Präsident Baschar al-Assad und nachdem die Aufständischen auch Damaskus eingenommen hatten. „Wir waren alle anwesend: Bischöfe, Priester und Ordensleute“, sagte der Jesuit Antoine Audo, chaldäischer Bischof von Aleppo, im Gespräch mit Fides. Es sein eine „sehr positive Begegnung“ gewesen.
Das Treffen fand in dem Franziskanerkloster statt, wo sich auch das Apostolische Vikariat der Katholiken des lateinischen Ritus befindet. „Ihre Absicht“, so Bischof Audo, “scheint darin zu bestehen, Vertrauen zu schaffen“. Die Erwartungen seien gut, vor allem wenn man bedenke, „dass wir uns inzwischen in einer Sackgasse befanden: Es gibt keinen Strom, alles ist teuer, viele Menschen haben Schwierigkeiten, sich zu ernähren“.
Im Moment, so Audo, zeigten die neuen Kräfte, die die Szene beherrschen und islamistisch geprägt sind, keinerlei Bestreben, das gewöhnliche Leben der kirchlichen Gemeinschaften zu verändern und zu maßregeln: „Im Gegenteil, sie versuchen, Vertrauen zu schaffen, indem sie unsere Traditionen und unsere Gebete respektieren. Ich habe ihnen gesagt, dass wir als arabische Christen eine einzigartige Realität in der Geschichte und in der Welt darstellen. Ich erinnerte an einige Beispiele für die Geschichte der muslimischen Araber mit den Christen und den Beitrag der Christen zu dieser Geschichte. Ich fügte hinzu, dass der Status der „Dhimmi“ (nicht-muslimische Mitglieder eines Staates, der sich am islamischen Recht orientiert, Anm. d. Red.) sowohl im negativen als auch im positiven Sinne interpretiert werden kann, dass Christen keine Bürger zweiter Klasse sein dürfen und dass wir zusammenarbeiten müssen. Man schien an diesen Überlegungen sehr interessiert zu sein“.
Während des Treffens wurde den Vertretern der christlichen Gemeinschaften versichert, dass es keine Änderungen der Vorschriften für die Schulen der kirchlichen Gemeinschaften geben werde, in denen Jungen und Mädchen gemeinsam in gemischten Klassen lernen. „Sie haben alle Beamten aufgefordert“, so der chaldäische Bischof weiter, “ihren Dienst wieder aufzunehmen, und sie haben gesagt, dass die Wehrpflicht, die all diese Jahre gedauert hat, beendet ist“.
Laut Bischof Audo, der für seine scharfen Analysen politischer Zusammenhänge und Prozesse bekannt ist, „gab es eine vereinbarte internationale Entscheidung, diesen Ausweg für Syrien zu sichern. Es war nicht möglich, in der eingeschlagenen Sackgasse weiterzumachen“. Eine Lösung, an der sicherlich die Türkei und die USA beteiligt waren, „aber auch Russland und der Iran. Russland forderte Assad auf, das Land zu verlassen“, und so wurde „weiteres Blutvergießen vermieden“.
Jetzt kehre man in Aleppo zur „Normalität“ zurück, berichtet Bischof Audo, zu der auch Existenzprobleme und die Schwierigkeiten bei der Versorgung mit lebensnotwendigen Gütern gehörten. In Kirchengemeinden gebe es Initiativen, um den Menschen wenigstens eine Mahlzeit zu ermöglichen. Und man bereite sich darauf vor, Weihnachten im kleinen Rahmen zu feiern: „Vielleicht“, berichtet Bischof Audo, „wird es keine Paraden und spektakulären Momente geben. Aber jeder, der uns in den Festtagen in unseren Kirchen und Bischofssitzen besuchen möchte, ist herzlich willkommen“.
(Fides 10/12/2024)


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