ASIEN/VIETNAM - Scheidungsrate steigt: Tendenz unter Katholiken weniger ausgeprägt

Dienstag, 13 Juni 2023 ehe   glaube   katholische kirche   gesellschaft   jugendliche  

Bin Thiều / Unsplash

Hanoi (Fides) - Immer mehr junge Paare in Vietnam lassen sich scheiden. Dies bestätigen jüngste Statistiken und soziologische Studien. Die Scheidungsrate in dem Land hat sich in den vergangenen 10 Jahren von 1 % im Jahr 2009 auf 1,8 % im Jahr 2019 fast verdoppelt. In einem Interview mit der bekannten vietnamesischen Staatszeitung "Bao Dai Dona Ket" sagte der Soziologe Nguyen Anh Hong kürzlich: "Die Zunahme der Scheidungen in unserer heutigen Gesellschaft ist wirklich ein ernstes Problem. Das Familienleben ist instabil, die sozialen Beziehungen werden kompliziert und die Familienwerte ändern sich“. Hong fügte hinzu: "Das Phänomen, dass junge Menschen heiraten und sich bald wieder scheiden lassen, gibt in unserer Kultur und Gesellschaft Anlass zu ernster Sorge". Nach Angaben des Instituts für Familien- und Geschlechterforschung gibt es in Vietnam im Jahr 2018 durchschnittlich mehr als 60.000 Scheidungsfälle pro Jahr, was 30 Prozent der Gesamtzahl der Paare entspricht, die heiraten. Unter den geschiedenen Paaren machen junge Familien im Alter zwischen 18 und 30 Jahren 70 Prozent der Fälle aus; 60 Prozent der Fälle sind verheiratete Paare, die zwischen 1 und 5 Jahren in ihrer Ehe zusammengelebt haben. Den Statistiken zufolge gibt es verschiedene Gründe für das Scheitern von Ehen: In 27,7 % der Fälle ist die Scheidung auf Konflikte in der Lebensführung zurückzuführen, in 25,9 % auf Ehebruch, 13 % auf wirtschaftliche Faktoren, 6,7 % auf häusliche Gewalt und 2,2 % auf gesundheitliche Gründe.
Mit rund 13 Millionen Menschen macht die sogenannte "Generation Z" (junge Menschen, die zwischen 1997 und 2012 geboren wurden) etwa 19 % der Bevölkerung Vietnams aus. Bis 2025 wird diese Generation etwa ein Drittel der Arbeitskräfte des Landes stellen und damit eine immer wichtigere Rolle bei der Gestaltung der Gesellschaft spielen.
Der in Ho-Chi-Minh-Stadt lebende und arbeitende Psychologe Ngo Minh Uy stellt fest: "Durch meine Arbeitserfahrung sehe ich, dass die Ehekrise vor allem auf ein mangelndes gegenseitiges Verständnis und eine fehlende Vorbereitung vor der Heirat zurückzuführen ist. Wenn ein Konflikt auftritt, suchen die Menschen nicht nach dem wahren Grund für den Konflikt und hören ihrem Ehepartner nicht zu, um eine Lösung zu finden. Entfremdung im Eheleben und Unstimmigkeiten bei der Kindererziehung gehören ebenfalls zu den häufigen Scheidungsursachen".
In der katholischen Glaubensgemeinschaft in Vietnam (rund 9 Millionen Gläubige bei einer Bevölkerung von 97 Millionen) ist dieser unterdessen Trend weniger ausgeprägt. 2021 hat die Erzdiözese Hanoi eine Umfrage unter den Getauften in 69 Pfarreien durchgeführt, an der 5 610 Gemeindemitglieder teilnahmen. 1 % der Befragten gaben an, dass sie getrennt oder geschieden sind. 89% der 3.721 Gemeindemitglieder gaben an, dass sie ihren Ehepartner nie betrogen haben und in der Ehe treu sind. 92,7 % gaben an, in einer harmonischen und liebevollen Familie zu leben, trotz aller Schwierigkeiten und Nöte. Wenn das Eheleben in eine Krise gerät, beten 79,6 % der Gemeindemitglieder zu Gott um Hilfe, und 40,1 % suchen auch Rat bei Priestern und Ordensleuten. Die katholischen Gläubigen entscheiden sich in Konfliktsituationen in 82,3 % der Fälle für eine friedliche Lösung, die den Forderungen des Ehepartners oder der Kinder entspricht.
"Katholiken suchen die Hilfe Gottes bei der Lösung von Ehekonflikten in der Überzeugung, dass der Herr durch die Gnade des Sakraments eingreifen, die Herzen verändern und Frieden bringen kann. Ethische Werte und der Glaube tragen zum Prozess der Versöhnung und Konfliktlösung bei. Die ehelichen Verpflichtungen sind ein wichtiger Faktor, der die Eheleute motiviert, sich für Altruismus zu entscheiden, Konflikte harmonisch zu lösen und nicht zuzulassen, dass eine Krise das Eheleben zerstört", bestätigt die Studie.
"Die von der Kirche eingerichteten Kanäle zur Unterstützung der Familien", so die Studie weiter, "sind sehr wirksam, um die negativen Folgen von Konflikten zu verringern, den Eheleuten zu helfen, negative psychologische Zustände zu überwinden und die Risse in der Beziehung zwischen Mann und Frau zu heilen“. Junge Paare werden durch die Teilnahme an Ehevorbereitungskursen sensibilisiert. Laut der Umfrage dienen die Kurse dazu, die lehrmäßigen Grundlagen vor der Eheschließung zu stärken (62 %), das kirchliche Eherecht zu verstehen (57,6 %) und Wissen und eine nützliche Grundlage für die Ehe zu vermitteln (49,4 %).
Cu Thi Thanh Thuy, vietnamesische Wissenschaftler und Autorin der Untersuchung "Spousal Conflict in the Catholic Family, A Sociological Approach" (veröffentlicht 2020), sagt: "Die Tendenz katholischer Ehepartner in Vietnam besteht darin, Konflikte zu lösen, indem sie unterschiedliche Positionen versöhnen und die Harmonie wiederherstellen. Im Prozess der Konfliktlösung spielt der christliche Glaube eine wichtige Rolle: Das Teilen moralischer und religiöser Werte leitet die Eheleute zu positiven Maßnahmen, um die Beziehungen zu verbessern und von extremen Lösungen Abstand zu nehmen. Der Katholizismus motiviert die Eheleute, nach Lösungen zu suchen, die das Glück in der Ehe erhalten und nicht zerstören".
Dem Wissenschaftler zufolge wirkt der Glaube dabei auf vier grundlegenden Ebenen: Erstens helfe er, das emotionale Trauma zu lindern, wenn sich der Konflikt in der akuten Phase befindet; zweitens motiviere die in der christlichen Ehe eingegangene Verpflichtung die Menschen dazu, friedliche Lösungen zu wählen, um Probleme zu lösen; drittens leite der katholische Glaube die Eheleute dazu an, Konflikte zu lösen, indem sie "sich selbst prüfen" und ihre Fehler anerkennen. Schließlich fungierten Priester und Ordensleute als Unterstützer, Berater und Brückenbauer bei der Lösung von Konflikten in Ehe und Familie.
Eine weitere Umfrage, die der Soziologe Nguyen Duc Loc in der Diözese Xuan Loc in Südvietnam durchgeführt hat, ergab, dass katholische Familien in der Regel ein friedlicheres Familienleben führen als gewöhnliche Familien in der heutigen vietnamesischen Gesellschaft. Die Umfrage ergab, dass 89,2 % der Ehepartner noch immer als Mann und Frau in einer langjährigen Ehe zusammenleben; 7,7 % sind verwitwet und nur 0,9 % der katholischen Paare sind geschieden. Katholische Familien sind in ihren täglichen Aktivitäten, ihrer Arbeit und ihrem religiösen Leben nahezu stabil.
Den verschiedenen Erhebungen zufolge wird ein stabiles Eheleben durch Glaubensleben und Glaubenspraxis untermauert, und vor allem eine weitre Zahl ist dabei aufschlussreich: 96 % der getauften Vietnamesen besuchen regelmäßig die Sonntagsmesse und empfangen regelmäßig die Sakramente.
(PA-AD) (Fides 13/6/2023)


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