Nur-Sultan (Fides) – Die Religionen erinnern uns daran, dass „wir nicht allmächtig sind“ und „dass wir Geschöpfe sind“, Männer und Frauen „auf dem Weg zum selben Himmel, vereint durch eine echte Geschwisterlichkeit, so Papst Franziskus bei der Eröffnung des VII. Kongresses der Führer der Weltreligionen und der traditionellen Religionen am heutigen 14. September in der kasachischen Hauptstadt Nur-Sultan. Der Papst saß neben einundachtzig Vertretern verschiedener Glaubensrichtungen aus fünfzig Ländern, die im großen runden Saal des Unabhängigkeitspalastes um den Tisch versammelt waren, und wies auf die Anerkennung der „Geschöpflichkeit“ hin, dem zentralen Merkmal des authentischen religiösen Empfindens, als Quelle des wertvollen und einzigartigen Beitrags, den verschiedene Glaubensgemeinschaften gemeinsam zum Wohl der gesamten Menschheitsfamilie leisten können.
In einem Land, „das im Laufe der Jahrhunderte von großen Karawanen durchquert wurde“, wo „viele Geschichten, Ideen, Glaubensrichtungen und Hoffnungen“ sich „an diesen Orten miteinander verwoben“ haben“ zitierte der Papst auch Abai (1845-1904), einen kasachischen Poeten, der „uns von Religiosität durchdrungene Schriften hinterlassen, in denen die beste Seite der Seele dieses Volkes durchscheint: eine harmonische Weisheit, die sich nach Frieden sehnt und ihn sucht“ . Er erinnere auch in der heutigen Zeit daran, „ dass wir Menschen nicht so sehr existieren, um irdische Interessen zu befriedigen und Beziehungen rein wirtschaftlicher Art zu knüpfen, sondern um gemeinsam unterwegs zu sein, als Wanderer mit einem zum Himmel gerichtetem Blick“. Es sei an der Zeit jene Diskurse den Geschichtsbüchern zu überlassen, die hier und anderswo zu lange Misstrauen und Verachtung gegenüber der Religion gesät haben, so als sei sie ein destabilisierender Faktor in der modernen Gesellschaft“. Mit Bezug auf die kasachische Geschichte in den letzten Jahren der Sowjetunion, erinnerte der Papst an das Erbe des Atheismus und betonte: „In Wirklichkeit sind die Religionen nicht ein Problem, sondern Teil der Lösung für ein harmonischeres Zusammenleben“. Denn „das Streben nach Transzendenz und der heilige Wert der Geschwisterlichkeit können in der Tat die Entscheidungen inspirieren und erhellen, die im Zusammenhang mit geopolitischen, sozialen, wirtschaftlichen, ökologischen – im Grunde jedoch geistlichen – Krisen zu treffen sind. Diese Krisen durchziehen viele der heutigen Institutionen, selbst die Demokratien, und gefährden die Sicherheit und Harmonie zwischen den Völkern.“
Der Papst bezeichnete die Religionsfreiheit als “wesentliche Voraussetzung” für eine wahre ganzheitliche und menschliche Entwicklung. “Wir sind freie Geschöpfe. Unser Schöpfer ist „für uns zur Seite getreten“, hat seine absolute Freiheit sozusagen „eingeschränkt“, um auch uns zu freien Geschöpfen zu machen. Wie können wir dann unsere Geschwister in seinem Namen zu etwas zwingen?“, so Papst Franziskus weiter, der auch daran erinnerte, dass „jeder Mensch das Recht hat, den eigenen Glauben öffentlich zu bezeugen und als Angebot darzulegen, ohne ihn jemals anderen aufzuzwingen“ denn „das ist die gute Praxis der Verkündigung, die sich von Proselytismus und Indoktrination unterscheidet“, und „das wichtigste Bekenntnis des Lebens in die Sphäre des Privaten zu verbannen, würde die Gesellschaft eines außerordentlichen Reichtums berauben“. Im Gegenteil, „ein Umfeld zu begünstigen, in dem religiöse, ethnische und kulturelle Verschiedenheiten respektvoll zusammenleben, ist die beste Weise, um die spezifischen Merkmale eines jeden hervorzuheben, die Menschen zu vereinen, ohne sie zu vereinheitlichen“
In der Gegenwart, so der Bischof von Rom im zweiten Teil seiner Ansprache, gehe es darum “sich vier globalen Herausforderungen zu stellen”: die Covid-19 Pandemie, “die uns alle auf dieselbe Ebene gestellt hat” und gezeigt hat, dass niemand völlig autark ist. Den glaubenden sei es „aufgegeben, den Brüdern und Schwestern unserer Zeit zu helfen, die Verletzlichkeit, die uns kennzeichnet, nicht zu vergessen: nicht in falsche Allmachtsphantasien zu verfallen, die durch technische und wirtschaftliche Fortschritte hervorgerufen werden, aber allein nicht ausreichen“. Und eine zweite weltweite Herausforderung, betreffe die Gläubigen besonders „die Herausforderung des Friedens“. Angesichts von Konflikten und Kriegen seien die Religionsführer berufen der Welt zu sagen: „Gott ist Frieden und führt immer zum Frieden, niemals zum Krieg“. Nach der Pandemie und dem Frieden gehe es um eine Herausforderung, der man sich stellen müsse, „nämlich der der geschwisterlichen Annahme“ und eine letzte globale Herausforderung sei „die Bewahrung des gemeinsamen Hauses“.
Man müsse alle diese Herausforderungen gemeinsam angehen und dabei dürfe man „nicht nach falschen, versöhnlichen Synkretismen“ suchen, so der Papst abschließend, sondern „bewahren wir unsere Identitäten in Offenheit für den Mut zum Anderssein und für die geschwisterliche Begegnung. Nur so, auf diesem Weg, können wir in den dunklen Zeiten, in denen wir leben, das Licht unseres Schöpfers ausstrahlen.“
(GV) (Fides 14/9/2022)
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