AFRIKA/MADAGASKAR - Bischof Vella im Interview: “Kirchengemeinde ist oft einziger Zufluchtsort”

Mittwoch, 9 November 2022

Rom (Fides) - "In Madagaskar sind wir uns bewusst, dass wir objektiv zu den ärmsten Ländern der Welt gehören. Aber wir haben wenigsten keinen Krieg, das schlimmste und abscheulichste aller Übel, die Menschen ihren Mitmenschen zufügen. Und zumindest in dieser Hinsicht können wir uns glücklich schätzen“, so Bischof Rosario Vella, der seit Juli 2019 die Diözese Moramanga (Madagaskar) leitet. Der italienische Missionsbischof betrachtet die Realität mit Hoffnung und christlichem Realismus und räumt ein, dass das Leben des madagassischen Volkes zwar von Armut und der Korruption geprägt ist, während er dankbar darauf hinweist, dass die große Inselnation von der Geißel des Krieges verschont geblieben ist, die in anderen Ländern, ob nah oder fern, Menschenopfer fordert und die Menschen "zu blutrünstigen Bestien" macht.
In einem ausführlichen Interview mit Fides spricht der in Sizilien geborene Bischof über die Aufgabe, das Evangelium im aktuellen Kontext eines Landes zu verkünden, das vor wichtigen Wahlterminen steht und mit den Folgen der Corona-Pandemie zu kämpfen hat. Im Gespräch erinnert er auch en seine Begegnung mit Papst Franziskus am vergangenen 27. Oktober.
Im Hinblick auf die lange Dauer der weltweiten Pandemie hob der Bischof hervor, dass das pandemische Virus in seinem Land nicht dieselben verheerenden Auswirkungen wie in anderen Teilen der Welt verursacht hat. "Was wir nicht vermeiden konnten", so der Bischof weiter, "waren die Nebenwirkungen. Leider verloren nach der Corona-Pandemie viele Menschen ihre Arbeit; die Wirtschaft, die bereits eine Subsistenzwirtschaft war, brach zusammen, Schulen wurden für lange Zeit geschlossen. Die Kirchen blieben geöffnet, wenn auch mit starken Einschränkungen. Die Folgen für das Leben der Menschen waren schwerwiegend, der Handel kam zum Erliegen, ebenso der Fremdenverkehr und der Nahverkehr, der inzwischen zwar wieder aufgenommen wurde, aber zu erhöhten und unhaltbaren Preisen. Dann kam der Krieg zwischen Russland und der Ukraine. Obwohl wir weit weg waren, bekamen auch wir die Auswirkungen zu spüren: Alle Preise stiegen in die Höhe, nicht nur die für Treibstoff, Zement und Bau. Es gab einige, die diese Notlage ausnutzten, um Spannungen im Hinblick auf die politischen Wahlen im Jahr 2023 zu schüren".
In Madagaskar, wie auch in vielen anderen Ländern, werden die von den Politikern im Wahlkampf vorgelegten Programme nie umgesetzt. "In den 41 Jahren meiner Anwesenheit in diesem Land", sagt Bischof Vella, "habe ich oft Reden über den Willen zur Veränderung gehört, aber es hat sich nie etwas geändert. Die Gesichter der Politiker sind mehr oder weniger immer die gleichen, ebenso wie die Slogans. Es gibt Korruption auf allen Ebenen, wir wissen nicht mehr, wer in diesem System Opfer oder Komplize ist. Die Menschen vertrauen in vielerlei Hinsicht niemandem mehr. Und bei all dem vertrauen viele nur der Kirche und ihren Einrichtungen. In Madagaskar sehen viele die Kirchengemeinde als einzigen Zufluchtsort für alle und alles. Ein Ort der Aufnahme für die Armen, für diejenigen, die nicht studieren können, für die Kranken, die Hilfe suchen, um in einem Krankenhaus behandelt zu werden. Die Werke der Nächstenliebe sind Teil des Glaubensweges der Gemeinschaft, der durch die Sakramente und das Gebet genährt wird". Die Hauptarbeit bei der Verkündigung des Evangeliums, betont der Bischof, "wird heute vor allem von den Katecheten unentgeltlich und mit Hingabe geleistet. Der Priester kommt vorbei, zelebrierte die Messe, und geht wieder, um an anderen Orten die Sakramente zu spenden, während der Katechet das tägliche Leben der Menschen vor Ort, er kennt die Familien, er kennt die konkreten Probleme“. In der Diözese Moramanga gibt es nicht weniger als 125 kleinere Missionsstationen. "An manchen Orten", fügt der Bischof von den Salesianern Don Boscos hinzu, "kann der Priester nur einmal im Jahr kommen. Das tägliche Gebet in den Gemeinschaften und die Ausbildung und Weitergabe der Glaubenswahrheiten sind immer den Katecheten anvertraut".
Im Gespräch mit Fides spricht Bischof Vella auch über den Ad-limina-Besuch der Bischöfe von Madagaskar in Rom und die Audienz bei Papst Franziskus, die er als "großes Geschenk" bezeichnet. Die Atmosphäre bei der Papstaudienz bezeichnete er als „informell“. Er habe scherzhaft begonnen: "Sie", sagte er, "sind hier und können reden, worüber Sie wollen, Sie können den Papst auch hier kritisieren, aber nur in diesem Raum! Wir antworteten prompt, dass wir vor allem wissen wollten, was seine Freuden und Leiden waren. Er vertraute uns an, dass seine größte Freude darin besteht, den Glauben der Menschen, der Mütter, der Armen zu sehen. Das größte Leid seien jedoch die Spaltungen auf allen Ebenen, die den Dialog und die Gemeinschaft untergraben. Wir sind in Madagaskar insgesamt 22 Bischöfe, und ich würde sagen, wir sind uns ziemlich einig. Jeder hat natürlich seine eigenen Ideen und Methoden, aber wir sind gute Freunde, wir tauschen uns aus, wir unterstützen uns gegenseitig. Jedes Mal, wenn es Treffen, Feiern oder Jubiläen gibt, nutzen wir die Gelegenheit, um uns zu treffen".
(AP) (Fides 9/11/2022)


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