ASIEN/PAKISTAN - Oberstes Gericht fordert höchste Sorgfalt im Umgang mit Anklagen wegen Blasphemie

Mittwoch, 14 September 2022 menschenrechte   blasphemie   gerechtigkeit  

Islamabad (Fides) - "Wir begrüßen den Aufruf des Obersten Gerichtshofs von Pakistan an die Regierung, bei Blasphemie-Fällen vorsichtiger zu sein. Wir erinnern an den Missbrauch der Blasphemiegesetze in den letzten zwei Jahrzehnten. Dies ist ein ernstes Problem vor allem für Christen, Hindus und andere religiöse Minderheiten in Pakistan. Es ist wichtig, dass die Polizei und die Regierungsbeamten Blasphemiefälle sehr sorgfältig behandeln, damit keine unschuldige Person belastet wird", so der katholische Menschenrechtsaktivist Sabir Michael, gegenüber Fides zur jüngste Entscheidung des Obersten Gerichtshofs von Pakistan, der den Staat zu äußerster Sorgfalt bei der Behandlung von Blasphemiefällen verpflichtet.
In dem ausführlichen Urteil von Anfang September (vgl. Fides 1.9.2022) fordert das oberste Gremium der pakistanischen Justiz die staatlichen Stellen ausdrücklich zu "äußerster Sorgfalt" auf und erkennt die Problematik und Instrumentalisierung solcher Gesetze an.
In einem neunseitigen Text stellt das Richtergremium, bestehend aus Richter Qazi Faez Isa und Richter Syed Mansoor Ali Shah, fest, dass Blasphemiefälle viel Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit erhalten, was die Durchführung eines fairen und ordnungsgemäßen Gerichtsverfahrens gefährden kann. Die Richter weisen auf Fälle hin, in denen falsche Anschuldigungen wegen Gotteslästerung erhoben wurden, um persönliche Angelegenheiten zu regeln oder um unlautere Interessen zu verfolgen. Richter Isa betont, dass die Strafverfolgung niemals durch "religiösen Eifer oder moralische Entrüstung" beeinflusst werden darf, sondern dass der Staat, d.h. die Staatsanwaltschaft, "in solchen Streitfällen sorgfältig und gewissenhaft die angebliche Straftat untersuchen muss".
Der Gerichtshof stellt fest, dass unter Beachtung der Grundsätze der islamischen Rechtsprechung und unter Anwendung des Verfassungsrechts stets sichergestellt werden muss, dass eine unschuldige Person nicht zu Unrecht wegen Verbrechen im Zusammenhang mit der Religion verurteilt wird, insbesondere "wenn es nur die unwahrscheinliche mündliche Aussage von Zeugen gibt". In dem Urteil heißt es, dass "das Grundrecht des Angeklagten auf ein faires und gerechtes Verfahren gewährleistet werden muss", da "es Fälle gegeben hat, in denen ein Angeklagter von einem wütenden Mob verletzt oder sogar getötet wurde, bevor er für schuldig befunden wurde".
"Das Gesetz verbietet es, das Recht selbst in die Hand zu nehmen. Nach der islamischen Rechtsprechung darf eine zum Tode verurteilte Person, auch wenn sie für schuldig befunden wurde, nur von denjenigen vollstreckt werden, die dazu befugt sind, und wenn sie die verurteilte Person töten, muss der Täter bestraft werden", erklärt der Gerichtshof in seinem Urteil. Es wird zudem ausdrücklich daran erinnert, dass „das Predigen des Christentums in Pakistan kein Verbrechen ist, sondern dass es ein Grundrecht jedes Bürgers ist, sich zu seiner Religion zu bekennen, sie zu praktizieren und zu verbreiten".
Sabir Michael sieht in diesem Urteil einen Hoffnungsschimmer. Es werde Staatsbeamten davon überzeugen, bei Blasphemie-Fällen vorsichtiger zu sein. Der christliche Menschenrechtsaktivist Ilyas Samuel erklärt gegenüber Fides: "Angesichts der zunehmenden Vorfälle von Extremismus ist dies eine ausgezeichnete Entscheidung des Obersten Gerichts, wenn es darum geht, das Image Pakistans auf internationaler Ebene zu verbessern".
Der Medienschaffende Nasir Raza sagt: "Es war eine notwendige Entscheidung. Wir beten für seine Umsetzung, damit unschuldige Menschen nicht mehr Opfer von falschen Anschuldigungen der Blasphemie werden, wie es in berüchtigten Fällen wie dem der Christin Asia Bibi und so vielen anderen der Fall war".
Nach Angaben des "Center for Social Justice", einer NRO, die das Phänomen seit langem beobachtet, wurden zwischen 1987 und 2021 1.949 Personen aufgrund der Blasphemiegesetze angeklagt. Darunter sind 928 Muslime, 643 Ahmadis, 281 Christen, 42 Hindus und 55 Bürger unbekannten Glaubens.
(PA-AG) (Fides 14/9/2022)


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