AFRIKA/ÄTHIOPIEN - “Wir brauchen Lebensmittel und Medikamente für die Menschen! Es müssen humanitäre Korridore geöffnet werden!“

Dienstag, 18 Januar 2022

Adigrat (Fides) - "Es ist tragisch aber es ist alles wahr, kommt und ihr seht es mit eigenen Augen", so ein Vertreter der Ortskirche aus dem äthiopischen Tigray, der aus Sicherheitsgründen um Anonymität bittet, im Gespräch mit Fides. Die Tragödie, auf die er sich bezieht, ist der seit fast zwei Jahren wütende Konflikt in Tigray.
"Es kommt zu Massakern an Unschuldigen, die nur aufgrund ihrer ethnischen Zugehörigkeit brutal ermordet werden, und eine Vielzahl von Menschen drohen buchstäblich zu verhungern: Die humanitären Korridore müssen sofort geöffnet werden, um denen zu helfen, die am Ende ihrer Kräfte sind“.
Seit dem Beginn des Krieges im November 2020 ist Tigray von der übrigen Welt abgeschnitten. Humanitäre Hilfe kam nur spärlich, und die Telefon- und Internetverbindung wurde unterbrochen. Es ist daher schwierig, Informationen über die Geschehnisse in der Region zu erhalten. Sicher ist, dass die humanitäre Hilfe die Bevölkerung nicht erreicht, der es an allem mangelt, vor allem den Bedürftigsten, den Kranken, Alten, Frauen und Kindern. Es mangelt an allem, was das Existenzminimum sichern könnte: Lebensmittel, Wasser, Medikamente. Mehr als 90 % der Krankenhäuser sind zerstört, die Schulen sind seit zwei Jahren geschlossen, die Banken haben kein Geld.
"Die Machthaber wollen nicht, dass die Menschen über die Gräueltaten, die sie erleiden, sprechen und berichten“, so der Kirchenvertreter. „Es herrscht ein Klima des Schreckens, das in den letzten Monaten durch tödliche Drohnenangriffe weiter angeheizt wurde. So etwas haben wir in Afrika südlich der Sahara noch nie gesehen. Und in der internationalen Gemeinschaft ergreift niemand angemessene Initiativen, um dem Ganzen ein Ende zu setzen. Alle geopolitischen Akteure betrachten das, was hier geschieht, nur aus der Perspektive ihrer eigenen strategischen Interessen".
Wie der Beobachter mitteilt wurde Premierminister Abiy anfangs von der Bevölkerung unterstützt. Doch dann habe sich alles geändert. Bestimmte Aktionen ließen sich nur noch mit dem rücksichtslosen Machterhalt um jeden Preis erklären. Heute werde behauptet, dass die ethnische Gruppe der Amara die Macht des Premierministers sichere, aber in Wirklichkeit traue niemand mehr dem anderen, und das Szenario wird zu einem Krieg aller gegen alle. Überall sei die Wirtschaft des Landes zerstört. Es gebe keine Investitionen mehr. Alles sei zerstört worden. „Zerstörte Fabriken, zerstörte historische Stätten, zerstörte Häuser, Kirchen, Missionen - alles wurde zerstört“, berichtet er, „Bislang hat niemand etwas dazu gesagt. Nur Papst Franziskus hat sich mehrfach zu Wort gemeldet und die Menschen aufgefordert, für Äthiopien zu beten. Aber jetzt sind wir wirklich an dem Punkt angelangt, an dem jemand sagen muss: Es reicht! Keine Menschen dürfen mehr getötet werden oder verhungern, humanitäre Korridore müssen offen bleiben. Der Mangel an Nahrungsmitteln ist zur Kriegswaffe geworden, mit der man Menschen zum Sterben zwingt und sie nicht ernährt. Generationen von jungen Menschen sind völlig zerstört worden. Wir sprechen von 6/7 Millionen Menschen, die unter dieser Situation beispielloser Gewalt leiden".
"Wir haben keine Nachricht von unseren Verwandten, unseren Freunden“, beklagt er, „Einige sind in Addis Abeba im Gefängnis, nur weil sie aus der Region Tigray kommen. Die Menschen sterben, sie haben keine Arbeit, sie haben nichts zu essen. Und jeden Tag, der ohne Hilfe vergeht, sterben Tausende von Menschen".
Die tragische Situation in Äthiopien spiegelt sich auch in den besorgten Worten einer weiteren maßgeblichen Quelle der Kirche wider. "Äthiopien befindet sich in einer äußerst schwierigen Situation. Es scheint, dass uns alles in Richtung Abgrund drängt. Der Terror nimmt zu, das Misstrauen zwischen den Gruppen wächst. Wir beten zu Gott, dass er dieser Spirale der Gewalt ein Ende setzt: denn erst dann können wir Wege finden, die Wunden zu heilen: aber jetzt ist es vor allem an der Zeit, das Leben all der unschuldigen Menschen zu retten, die der Gefahr ausgesetzt sind, in einem zerrissenen Land zu sterben, in dem bis vor kurzem noch alles eine bessere Zukunft zu versprechen schien".
In den letzten Tagen bezeichnete der aus Äthiopien stammende Generaldirektor der Weltgesundheitsorganisation (WHO), Tedros Adhanom, die Blockade, die verhindert, dass Medikamente und andere lebenswichtige Güter in die äthiopische Region Tigray gelangen, "eine Beleidigung für unsere Menschlichkeit". „Die Lage ist verzweifelt. Ich komme aus dieser Region", sagte Tedros Adhanom.
Sieben Millionen Menschen sind seit mehr als einem Jahr ohne Lebensmittel, Medikamente, Strom und Telekommunikation. Die WHO ist befugt, Medikamente und Arzneimittel in andere Regionen Äthiopiens zu schicken, aber seit Juli letzten Jahres nicht mehr nach Tigray. Nach Angaben von Helfern werden täglich mehr als hundert Lastwagen mit Hilfsgütern für die Region Tigray benötigt.
(AP) (18/1/2022 Fides)


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