AFRIKA/ÄTHIOPIEN - Offensive auf die Hauptstadt von Tigray: Augenzeugin berichtet

Freitag, 27 November 2020

Addis Abeba (Fides) - Seit Tagen kämpft die äthiopische Armee am Stadtrand von Mek'ele, der Hauptstadt der Provinz Tigray, gegen die Milizen der Tigray People's Liberation Front (TPLF). Am gestrigen 26. November, ordnete Präsident Abiy Ahmed die Offensive gegen die Stadt mit einer halben Million Einwohnern an (siehe Fides, 26/11/2020).
Es fanden schwere Gefechte statt. Gekämpft wurde vor allem in der Nähe von Wukro, einer Stadt unweit der Hauptstadt Tigray. Der Regierung gelang der Durchbruch bisher nicht, da die Milizen heftigen Widerstand leisteten. Es besteht nun die Gefahr, dass die Offensive nach dem Angriffsbefehl des äthiopischen Premierministers Abiy Ahmed gewaltsam wieder aufgenommen wird und die Milizen den Widerstand aufgeben müssen.
So schätzt die italienische Professorin für Architektur Rosa Anna Mancini, die bisher an der Universität Mek'ele lehrte und vor einigen Tagen vor den Kämpfen geflohen ist, die Entwicklung in der umkämpften Region ein.
Erst im Oktober war Rosa Anna nach Tigray zurückgekehrt, um die Kurse, die im Rahmen der Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie suspendiert worden waren, wieder aufzunehmen. “Ich bin zurückgekommen”, so die Dozentin, „weil mir die Situation insgesamt ruhig schien. Nach den umstrittenen Regionalwahlen kam es zu ersten Konflikten zwischen Bundes- und Regionalregierungen auf politische Kontroversen mit entsprechenden Beschimpfungen. Aber alles beschränkte sich auf verbale Konfrontation und selbst die lokale Bevölkerung glaubte nicht, dass ein bewaffneter Konflikt ausbrechen würde”.
Die Situation verschlechterte sich am 3. November. Am Flughafen von Mek'ele kam es zu einem ersten Zusammenstoß zwischen Soldaten aus Addis Abeba und den TPLF-Milizen. “Es war der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat“, so Rosa Anna, „Die Gefechte begannen und das Leben der Zivilbevölkerung wurde immer schwieriger”.
Die Luftwaffe von Addis Abeba hat begann mit Luftangriffen auf die Region Tigray. Kampfflugzeuge warfen Bomben auch in den Randgebieten von Mek'ele ab. “Ich selbst habe gesehen, wie Militärflugzeuge über die Stadt geflogen sind und Bomben abgeworfen haben”, bezeugt sie, „Eine wirklich schwierige Situation, die Ziele waren nicht nur die Militärlager, sondern auch deren Umgebung. Einige Tage vor meiner Abreise wurde ein Flugzeug von Flugabwehrgeräten abgeschossen. Milizsoldaten auf einem Motorrad fuhren mit den Überreste herum, um zu zeigen, dass die äthiopischen Streitkräfte nicht stärker waren“.
Alle Kommunikationswege, Straßen, Brücken, aber auch Telefonleitungen wurden unterbrochen. Das Geld ging zur Neige, ebenso der Treibstoff. "Es gab Essen”, erklärt Rosa Anna, “aber die Leute hatten Angst, dass ihre Vorräte nicht ausreichen wurden, und so horteten sie Lebensmittel zu Hause. Der Strom wurde für eine Weile abgeschaltet, dann wieder angeschlossen, aber nicht den ganzen Tag geliefert. “
Rosa Anna wurde zusammen mit 200 Menschen ausländischer Herkunft evakuiert. "Es war keine Reise, sonderen eine Odyssee”, schließt sie ihren Bericht, “Wir mussten durch die Afar-Region fahren und dann in Addis Abeba aussteigen. Während der Reise mussen wir eine sehr unschöne Szene mitereleben. Äthiopische Soldaten nahmen hatten es auf Bürger aus Tigray mit ausländischen Pässen abgesehen. Wenn nicht einige vermittelnd eingegriffen hätten, wäre es für sie wahrscheinlich schlecht ausgegeangen."
(EC) (Fides 27/11/2020)


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