VATIKAN - Kardinal Filoni zum Papstbesuch auf der arabischen Halbinsel: "Ein Zeichen der Hoffnung“

Freitag, 1 Februar 2019 dialog   politik   evangelisierung   christentum   glaube   religiöse minderheiten  

Vatikanstadt (Fides) - „Der Papstbesuch wird sicherlich dazu beitragen, den islamisch-christlichen Dialog zu fördern. Es muss jedoch gesagt werden, dass wir nicht bei Null anfangen und allzu oft nur die problematischen oder negativen Aspekte hervorgehoben werden… Die Basis ist bereits vorhanden, wir können Fortschritte erzielen: Die Tatsache, dass der Papst zum ersten Mal die arabische Halbinsel besucht, ist ein sehr positives Zeichen, ein Zeichen der Hoffnung“, betont Kardinal Fernando Filoni, Präfekt der Kongregation für die Evangelisierung der Völker, die im Vatikan für die Apostolischen Vikariate der arabischen Halbinsel und damit für alle katholischen Gemeinden der Region zuständig ist, am Vorabend der Reise von Papst Franziskus in die Vereinigten Arabischen Emirate (3. bis 5. Februar).

Papst Franziskus besucht die arabische Halbinsel: Auf welche Situation trifft er dort, wie leben die lokalen christlichen Gemeinden?

Die katholischen Gemeinden in der großen Region der arabischen Halbinsel sind in kirchliche Makroregionen strukturiert: das Apostolische Vikariat Nordarabien, zu dem Saudi-Arabien, Bahrain, Katar und Kuwait gehören; und das Apostolische Vikariat Südarabien, das die Vereinigten Arabischen Emirate, Oman und Jemen umfasst. Auf der gesamten Halbinsel, mit einer großen islamischen Mehrheit, gehörten die ersten Christen den antiken Gemeinden des östlichen Ritus an, die sich entlang der Küste des Persischen Golfs angesiedelt hatte und sich dann auf den ganzen Nahen Osten ausdehnten. Heute handelt es sich bei den Christen auf der arabischen Halbinsel um Migranten: Es gibt keine indigenen Gemeinden, zwar gibt es auch arabische Christen, aber es handelt sich um Einzelpersonen.


Wie gestaltet sich das Leben christlicher Gemeinden in der Region?

Die Tätigkeit der katholischen Kirche findet auf pastoraler Ebene unter den Migranten statt, die in die Gesellschaften der verschiedenen Staaten zugewandert sind und dort unter Menschen leben, die sich zum islamischen Glauben bekennen. Selbst in einem eher homogenen kulturellen Kontext gibt es in den einzelnen Ländern der Region Besonderheiten: In einigen Staaten wie den Arabischen Emiraten und Bahrain besteht Toleranz und Offenheit gegenüber den Christusgläubigen, während in anderen Ländern manchmal eine strengere Kontrolle stattfindet. Aufgrund der geltenden Gesetzgebung wird die Ausübung des christlichen Glaubens beeinträchtigt. In anderen Fällen wird dies durch die Einwirkung extremistischer und gewalttätiger Gruppen sogar verhindert.


Die Arabischen Emirate feiern 2019 das “Jahr der Toleranz“ und Glaubensfreiheit wird weitgehend gewährleistet. Können sie damit Vorbild für die anderen Länder in der Region sein?

Das in den Emiraten gefeierte „Jahr der Toleranz“ kann ein Beispiel und ein wichtiger Impuls für die gesamte Region sein. Der erste Schritt des zivilen Zusammenlebens besteht nicht darin, sich gegenseitig zu bekämpfen, sondern darin sich zu respektieren und sich gegenseitig zu tolerieren. Toleranz ist der erste Schritt, aber nicht das eigentliche Ziel, sondern die uneingeschränkte Anerkennung der Grundrechte aller: der Würde des Menschen, der sozialen, bürgerlichen und religiösen Rechte. Darum müssen wir uns bemühen, in kleinen Schritten nach dem vorsehenden Plan Gottes und dabei die politischen, kulturellen und sozialen Realitäten jedes Landes zu berücksichtigen.


Wie ist die Situation in den Vereinigten Arabischen Emiraten, die der Papst besuchen wird?

In den Vereinigten Arabischen Emiraten hat die christliche Präsenz einen gewissen Umfang: Es gibt 800.000 Katholiken (Filipinos, Inder, Pakistaner, Sri Lanker, Bangladescher und andere Nationalitäten) und diese katholischen Gläubigen unterteilen sich in Mitglieder der lateinischen, malabarischen und malankarischen umd der griechisch-katholischen Kirche. Wir befinden uns im Apostolischen Vikariat des Südarabien, wo die Kirche allen Gläubigen einen angemessenen pastoralen Dienst und Gottesdienste anbieten will und dabei auf die Mitarbeit von Priestern und Ordensleuten zählen kann. Das Vikariat ist auf verschiedenen Ebenen der kirchlichen Organe sehr gut organisiert und es gibt mehrere Kirchen, in denen die Gottesdienste gut besucht sind und die Gläubigen diese lebhaft mitgestalten. Die Regierung der Emirate ermöglicht der Kirche die Verwaltung von Schulen, so dass es möglich ist, zum Wohle von Kindern und Jugendlichen Bildungsarbeit durchzuführen, angefangen bei den Kindern aus Migrantenfamilie. Es sei darauf hingewiesen, dass Schulen (insgesamt elf) keine konfessionellen Schulen, sondern für alle zugänglich sind und hauptsächlich von nicht-christlichen Schülern besucht werden. Hier gibt es bereits eine gewisse Integration und es wird kein Proselytismus betrieben. Es gibt keinen Religionsunterricht, sondern friedliches Zusammenleben wird erlebbar gemacht, und die Grundwerte von Respekt und Menschenwürde werden gefördert, gelebt und gelehrt. Die Bildungsarbeit ist von grundlegender Bedeutung und dient dem Gemeinwohl.


Wie ist die Lage im Vikariat Nordarabien, zu dem auch Saudi-Arabien gehört?

Auch im Vikariat Nordarabien, wo 2,5 Millionen Katholiken leben, gibt es ein recht unterschiedliche Realitäten: In Kuwait leben Christen aus verschiedenen Riten, während wir in Saudi-Arabien weder Kirchen noch anerkannte Gemeinden haben. Es sei jedoch darauf hingewiesen, dass auch hier eine gewisse Toleranz gegenüber Christen herrscht, insbesondere am Arbeitsplatz, wo es christliche Arbeitskräfte gibt: Hier ist die Vorgehensweise umsichtig und zurückhaltend, ohne öffentliches Auftreten, doch eine minimale spirituelle Aktivität, die der Regierung bekannt wird nicht verhindert, solange es keine Elemente gibt, die das soziale und zivile Leben beeinträchtigen. Es ist bekannt, dass Saudi-Arabien als Wiege des Islam und daher "heiliges Land" gilt. Wenn Migranten jedoch willkommen sind, ist es notwendig, ihre Würde, ihre Grundrechte und Grundfreiheiten sowie ihre Gewissenfreiheit und ihren Religion zu respektieren. In diesem Sinne gibt es auch hier Perspektiven, um den Weg im Namen der Toleranz zu ebnen, was, wie gesagt, der erste Schritt des Zusammenlebens ist. Saudi-Arabien ist auf internationaler Ebene ein Vollmitglied der Vereinten Nationen und es werden internationalen für Foren, Tagungen, Kongresse und Aktivitäten veranstaltet und das Land unterhält wirtschaftliche und politische Beziehungen zu vielen Nationen auf der ganzen Welt: Wenn vor diesem Hintergrund respektvolle und freundschaftliche Beziehungen entstehen glaube ich, dass dieses Paradigma auch auf religiöser Ebene als ein Weg für die Zukunft vorstellbar ist. Ohne jegliche Gegenüberstellung sondern mit Beziehungen die von gegenseitigem Respekt geprägt sind, auch innerhalb der gegenwärtigen Realität des Landes.



Wird der Besuch sich auch auf die Beziehungen zu Saudi-Arabien auswirken?

Das hoffen wir. Im Jahr 2017 empfing der Heilige Vater eine wichtige saudische Delegation im Vatikan, und während des Treffens wurde von einem gemeinsamen Bemühen um Frieden und Zusammenleben gesprochen. Außerdem gab es ein historisches Treffen zwischen König Abdullah bin Abdulaziz Al Saud und Papst Benedikt XVI. im Jahr 2007 unter dem Banner der Verständigung Nach dem Ende der politischen Sackgasse äußerte der maronitische Patriarch Béchara Raï die Hoffnung, dass die neue Regierung in den letzten neun Monaten die verlorene Zeit aufholen kann, eine Zeit, in der sich die wirtschaftliche Lage des Landes verschlechtert hat. Glückwunsch an Präsident Michel Aoun und Premierminister Saad Hariri, der Primas der Maronitischen Kirche bestand darauf, dass die "Einheit und Zusammenarbeit" innerhalb der Regierung für die "notwendigen Reformen" und den wirtschaftlichen und finanziellen Wohlstand der Regierung wichtig ist Land. " und des Dialogs zwischen Religionen und Kulturen. Der Heilige Stuhl pflegt bereits gute Beziehungen zu Vertretern verschiedener Länder der in der Region. Wir sind auf dem Weg: Dieser Besuch ist eine Etappe, die einen weiteren Wegabschnitt ebnen kann. Es liegt an jedem von uns, seinen Teil dazu beizutragen. Das friedliche Zusammenleben ist hier im Westen, aber auch in Arabien möglich, wo christliche Gastarbeiter zum wirtschaftlichen und sozialen Wohl des Landes beitragen und ein Zeugnis von Respekt, Frieden und gegenseitigem Wohlwollen geben.


Kann der Papstbesuch den islamisch-christlichen Dialog voranbringen?

Der Papstbesuch wird sicherlich dazu beitragen, den Dialog zu fördern. Es muss jedoch gesagt werden, dass wir nicht bei Null anfangen und zu oft nur die problematischen oder negativen Aspekte hervorgehoben werden. Der Islam betrachtet Christentum und Judentum als "Religionen des Buches", weshalb der interreligiöse Dialog von einer soliden Basis ausgeht. Viele Elemente sind dem christlichen und islamischen Glaubens gemein: Der Glaube an den einen Gott, die Vaterschaft Abrahams, das Beten und Fasten sowie Werke der Nächstenliebe und Wallfahrt sind grundlegende Aspekte, die wir gemeinsam haben. Nicht zu vergessen der Respekt vor Jesus Christus, einerseits als Sohn Gottes, andererseits als großer Prophet; oder die Verehrung von Maria, der Mutter, die muslimische Frauen oft anrufen, wenn sie sich auf die Geburt vorbereiten. Seit Jahrhunderten leben Christen und Muslime in Frieden, und diese Elemente sollten heute auch durch einee aufgeklärte Politik gestärkt werden. Die Basis ist bereits vorhanden, wir können Fortschritte erzielen: Die Tatsache, dass der Papst zum ersten Mal die arabische Halbinsel besucht, ist ein sehr positives Zeichen, ein Zeichen der Hoffnung.

(PA) (Fides 01/02/2019)


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