ASIEN/INDIEN - Kandhamal erinnert an Massaker vor zehn Jahren: “Nie wieder!”

Freitag, 24 August 2018 christentum   religiöse minderheiten   menschenrechte   dalit   tribalismus   eingeborene   gerechtigkeit   hinduismus   extremismus   gewalt   verfolgung  

New Delhi (Fides) - Zehn Jahre sind vergangen, seit in Kandhamal, einem Distrikt des indischen Bundesstaates Orissa, eine der blutigsten Episoden der Gewalt gegen christliche Minderheiten in Indien stattgefunden hat. Dalits und Christen aus tribalen Völkern wurden von fanatischen Hindu-Gruppen angegriffen. Es kam zu Morden und Vergewaltigungen, Brandstiftungen und der Verwüstung von Kirchen: Eine Welle des Terrors, die einer "ethnische Säuberung" gleichkam beherrschte den Distrikt wochenlang. Die Narben, die Straflosigkeit, Freispruch der Täter und Zwangsvertreibung hinterlassen haben und die damit verbundene Angst belasten die Überlebenden heute noch. Vor diesem Hintergrund versammeln sich Menschenrechtsaktivisten in Kandhamal anlässlich des zehnten Jahrestag der Gewalt am morgigen 25. August, dem Tag, an dem die Massaker begannen, unter dem Motto: "Nie wieder!".
"Die Erinnerung an die Tragödie von Kandhamal sollte eine stärkere Einheit zwischen den verschiedenen in Indien verfolgten Minderheiten - Sikhs, Christen, Muslime, Dalits und Stammesangehörige - fördern und alle demokratischen Kräfte gegen den Terror hinduistischer Extremisten bündeln. Der zehnte Jahrestag von Kandhamal sollte Gelegenheit sein, sich nicht nur an die Pogrome gegen Christen zu erinnern, sondern sich zu verpflichten, alles dafür zu tun, damit es nie wieder passiert", so der katholische Priester und Menschenrechtsaktivist Ajaya Kumar Singh, ein Augenzeuge der Tragödie von Orissa.
„An dem Tag für Kandhamal, kommen am 25. August Tausende von Menschen zusammen, um sich daran zu erinnern, wie viele ihr Leben durch Gewalt verloren haben und sich mit den Überlebenden zu solidarisieren, die immer noch leiden", so der katholische Geistliche. Die Feierlichkeiten werden in Bhubaneshwar, der Hauptstadt von Orissa, mit einem besonderen Gottesdienst für Frieden und Versöhnung mit Erzbischof John Barwa von Cuttack-Bhubaneswar ihren Höhepunkt finden. Solidaritätsbekundungen werden auch vielen anderen indischen Städten erwartet. In Delhi wird es einen Dialog zwischen den Opfern von Gewalt sowie Fotoausstellungen, Projektionen von Dokumentarfilmen und die Veröffentlichung eines Archivs über die Massaker von Orissa geben.
"Es ist unerlässlich, die Schrecken jener Tage, die weitgehend vergessen sind, wieder einmal in den Vordergrund zu stellen, damit sie nicht mehr passieren und dass wir daraus lernen können", so der indische Menschenrechtsaktivist Joe Athialy aus Delhi.
Die Tragödie begann augenscheinlich am 23. August 2008 nach der Ermordung des hinduistischen Anführers Swami Laxmanananda, für die Christen zu Unrecht verantwortlich gemacht wurden. Nachfolgende Untersuchungen enthüllten jedoch eine monatlange Planung und sorgfältige Organisation sowie die Mobilisierung von Ressourcen, die umfassende und koordinierte Übergriffe ermöglichten. Hinduistische Extremisten durften durch den Distrikt mit dem Leichenzug für Laxmanananda, was weiteren Hass und Wut entzündete. Nach Schätzungen der Regierung wurden bei den Ausschreitungen 39 Menschen getötet, während Menschenrechtsgruppen über 100 Opfer zählen. Mehr als 40 Frauen wurden vergewaltigt oder misshandelt; 393 Kirchen und Kultstätten wurden dem Erdboden gleichgemacht. Sogar Schulen, Leprastationen und soziale Zentren blieben nicht verschont. Im Rahmen der Welle der Gewalt wurden 2.000 Menschen stark zum Hinduismus "zurückgeführt". Insgesamt wurden über 600 Dörfer geplündert, 6.500 Häuser wurden niedergebrannt und mindestens 56.000 Menschen mussten fliehen und ihr Land und ihr Eigentum für immer verlassen.
"Seit damals“, so Joe Athialy, „haben viele Menschen wegen mangelnder Sicherheit den Distrikt Kandhamal verlassen, viele sind nie in ihre Heimatdörfer zurückgekehrt, weil der Staat nicht nur versäumt hat, die Täter zu bestrafen, sondern auch versagt, wenn es darum geht, Sicherheit zu garantieren: Erwachsene haben ihren Lebensunterhalt verloren, während Kindern das Recht auf Bildung vorenthalten wurde". Tausende Menschen sind ausgewandert, um danach in anderen Städten in Slums zu leben. "Frieden und Versöhnung erwiesen sich als Farce, weil feststeht, dass es keinen Frieden ohne Gerechtigkeit geben kann", fügt Athialy hinzu.
Este Warnsignale für diese Gewalt waren bereits 2007 zu erkennen gewesen. Und auch in den 80er und 90er Jahren des vergangenen Jahrhunderts waren öffentliche Hassreden von Extremisten gegen Christen in der Gegend üblich und solche Kampagnen wurden auch von den staatlichen Behörden nicht bekämpft. "Diese Passivität existiert noch heute und trägt zur gegenwärtigen Popularität des extremistischen Ansatzes bei", bemerkt der Aktivist.
"Die Staatsregierung und die öffentlichen Beamten haben nicht eingegriffen, um die Welle der Gewalt zu stoppen und sind daher mitschuldig daran", beklagt er. Die Weigerung der zuständigen Behörden Anzeigen entgegenzunehmen, schlechte und voreingenommene Ermittlungen, falsche Anschuldigungen gegen die Betroffenen trugen dazu bei, dass es keine Gerechtigkeit geben konnte. „Heute reichen die Gefühle von Wut über Frustration bis hin zu einem Gefühl der Resignation. Angesichts der Straflosigkeit, zehn Jahre nach diesen Ereignissen, können wir ein umfassendes Scheitern des indischen Justizsystem feststellen. Diese zehnjährige Jubiläum sollte eine Gelegenheit sein, Solidarität und Unterstützung für Überlebende bei ihrer Suche nach Gerechtigkeit zu fördern ", so Athialy abschließend, „Wir appellieren heute an die demokratischen Kräften mit der Bitte, die Verantwortung zu übernehmen, um die wachsende Welle der Gewalt die von Kräften gefördert wird, die die Hindutva-Ideologie unterstützen, zu stoppen“.
(PN) (Fides 24/8/2018)


Teilen:
christentum


religiöse minderheiten


menschenrechte


dalit


tribalismus


eingeborene


gerechtigkeit


hinduismus


extremismus


gewalt


verfolgung